Frank A. Meyer: Im Staub vor den Oligarchen

Gepostet am Jan 12, 2014

Die Ankunft des Oligarchen war erhebend: Sie erfolgte per Helikopter.

Angemessen auch der Empfang nach der Landung: durch eine Vertretung des Regierungsrates.

Erfreulich dann das Ergebnis der Begegnung im Jahre 2008: Wenige Wochen darauf wurde dem russischen Investor Pauschalbesteuerung gewährt.

Das berichtete vor einer Woche die «NZZ am Sonntag» unter dem Titel: «Roter Teppich für reichen Russen».

Das Rendezvous im Steuerparadies Nidwalden mündete in einer peinlichen Posse: Der Russe investierte nie, was er versprochen hatte; er lebte nicht einmal in der Mietwohnung, die sein Lebensmittelpunkt hätte sein müssen, um die Pauschalbesteuerung zu rechtfertigen.

Ein Prozess deckte jetzt auf, in welchem Ausmass die Behörden versagten. Sie überprüften nichts, im Gegenteil: Brav segneten sie per Formular die jährlichen Gesuche des reichen Russen um Verlängerung der steuerlichen Meistbegünstigung ab.

Ein Einzelfall? Typisch Nidwalden?

Keineswegs. Die Schweiz gilt weltweit als Schlaraffenland der Oligarchen: für dubiose Geschäfte, für raffinierte Firmenkonstrukte, für versteckte Vermögen.

Auch Michail Chodorkowski eilte nach seiner Freilassung aus Wladimir Putins Lager in die Schweiz. Es war eine Art Heimkehr.

Der Aufstieg zum einst reichsten Mann Russlands war eng verbunden gewesen mit Geschäften, Konstrukten von Firmen, Verwirrspielen um Beteiligungen und Vermögen unter Schweizer Flagge.

In der nachsowjetischen Ära unter Präsident Boris Jelzin hatte eine geschäftstüchtige Clique ? im Kommunismus skrupellos und zynisch geworden ? dem desorganisierten Vaterland Abermilliarden Volksvermögen entwunden, vor allem durch die Privatisierung von Rohstoffen und staatlichen Unternehmen aus den Sektoren Öl und Gas.

Die kapitalistische Gründerzeit Russlands war Plünderzeit. In der Schweiz erfuhren die Milliardäre aus dem Nichts rechtliche Rundumbetreuung durch Nobelkanzleien ? im Kapitalismus skrupellos und zynisch geworden. Solchen Service made in Switzerland genoss auch Michail Chodorkowski. Mehr als sechs Milliarden Franken hatte er auf helvetischen Konten geparkt ? und die Schätze seines Imperiums in die westliche Hemisphäre transferiert.

Die «SonntagsZeitung» schrieb vor kurzem: «Chodorkowski hatte in der Schweiz ein Königreich». 

Hat seine Haft den gestürzten Herrscher geläutert? Noch aus der Zelle liess er verlauten: «Mein Land exportiert nicht nur Rohstoffe, sondern auch Korruption. Die westlichen Banken haben sich in Geldwaschmaschinen für die russische Führungsklasse verwandelt. Eine seltsame Situation ist entstanden. Die westliche Elite versucht Russlands politische Klasse zur liberalen Demokratie zu bekehren, während dieselbe Klasse ebendiese Prinzipien zur Fassade macht. Diese Entwicklung könnte zu einer realen Gefahr für die westliche Zivilisation werden.»

Westliche Zivilisation? Schweizer Zivilisation! Von Zürich über Zug bis Genf herrscht ein geschäftiges Gedränge von Oligarchen. Anfang Januar pflegen sie sich mit ihrem Gesinde in St.Moritz auszutoben, als gehöre ihnen schon das ganze Engadin.

Denn eines schätzen sie ganz besonders an der Schweiz: Auf allen Ebenen finden sie Gehör, wie es Geldmacht gegenüber geziemt ? über Gebühr und ohne Gebühr.

Ja, so läuft es nun mal in der korruptionsfreien Schweiz: Der Oligarch oder der arabische Prinz oder der afrikanische Herrschersohn oder der australische Rohstoffspekulant zeigt kurz, was er hat, steckt seine Brieftasche wieder ein ? und erhält alles gratis: Niederlassungsbewilligung, Pauschalbesteuerung, Baubewilligung ? die eilfertige Zuwendung von Politikern, von Beamten, von Aufsichtsbehörden.

In der Schweiz grüsst man nicht den Gesslerhut. In der Schweiz wirft man sich in den Staub: vor den Geldherren.

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