Unternehmer will Politiker wachrütteln

Gepostet am Aug 26, 2014

Thiersheim – „Das Antwortschreiben von Innenminister Joachim Herrmann motiviert mich richtig, die Politiker in München einmal wachzurütteln. Ich hätte schon eine andere Antwort erwartet.“ Rolf Küstner, Besitzer des Autohofs Thiersheim, ist enttäuscht. Denn außer den üblichen Floskeln, mit denen Politiker auf die Sorgen und Nöte der Menschen in der Region reagieren, und Hinweisen, dass der Staat ohnehin genügend fördere, kann Küstner nicht erkennen, dass der Minister den Ernst der Lage erkannt habe. „Es ist für mich die größte Frechheit, dass wir von der 600-Millionen-Euro-Finanzspritze überhaupt nichts abbekommen haben“, ereifert sich der Unternehmer. Und ausgerechnet die führt Minister Herrmann in seinem Schreiben als eine von „derart zahl- und umfangreichen Maßnahmen zur Förderung des ländlichen Raums“ an (siehe Infokasten). „Null ist einfach zu wenig“, sagt Küstner.

Momentan formuliert er noch sein nächstes Schreiben an den bayerischen Innenminister, verdeutlicht aber im Gespräch mit der Frankenpost , dass nun Schluss sein müsse mit ewigen Plänen, Besprechungen und Diskussionen. „Wir müssen endlich mal anfangen und den ersten Nagel reinhauen“, fordert der Unternehmer.

„Es will niemand, dass ganz Bayern gleichartig ist, das wäre ja auch langweilig“, meint Küstner zu Herrmanns Vergleich in Sachen Gleichartigkeit und Gleichwertigkeit. „Die Vielfältigkeit macht ja den Reiz von Bayern aus.“ Wenn es aber um gleichwertige Lebensverhältnisse geht, sieht der Wahl-Thiersheimer die Probleme im Landkreis Wunsiedel nicht so sehr in der Historie, sondern aus einer Entwicklung in der jüngeren Vergangenheit: „Wegfall von Industriezweigen, demografischer Wandel, Grenznähe zu Tschechien und den neuen Bundesländern mit deutlichen Vorteilen und Förderungen für Gewerbeansiedlungen gegenüber Teilen Oberfrankens.“

Im gleichen Atemzug sei die weitere Entwicklung der Ballungsräume in Bayern gar noch forciert worden, beklagt Küstner. Obwohl in der Region Arbeitsplätze weggefallen seien und die Bevölkerung abwandere, blieben die kommunalen Aufgaben und Kosten dennoch die gleichen, müsse die Infrastruktur für die Menschen hier erhalten bleiben. Wegen der schlechten Finanzen der Kommunen könnten nur noch Schulden verwaltet werden, „was zu einem weiteren Verfall von Infrastruktur und kommunalen Aufgaben führt“. Vielmehr sollten Anreize und Maßnahmen für die Zukunft geschaffen werden, „damit sich die Schwachen auf eigene Beine stellen können“. Niemand hier wolle ständig auf Almosen angewiesen sein.

Der CSU-Mann Rolf Küstner, der sich jetzt mit Kai Hammerschmidt, dem Unternehmer aus Wunsiedel und SPD-Stadtrat aus Selb, zusammentut, um gemeinsam an einem Strang für die Region zu ziehen, betont: „Das Parteibuch muss vor der Tür bleiben. Es muss um die Sache gehen. Nur weil ich CSUler bin, schalte ich nicht mein Hirn aus.“

Was seine eigene Person betrifft – Rolf Küstner hatte (wir berichteten) dem Innenminister geschildert, dass er beim Bau seines Hauses in Thiersheim einen regionalen Abschlag von über 30 Prozent habe hinnehmen müssen -, kontert er: „Was die Baukosten für mein Wohnhaus anbelangen, habe ich ganz regional gebaut und habe alle Handwerker aus dem nahen Umfeld bevorzugt, was bestimmt keinen Vorteil bei den Baukosten bedeutet. Lediglich beim Grundstückspreis hatte ich einen Vorteil.“ Wenn Herrmann ins Feld führe, dass Menschen in den Ballungszentren froh wären über solch niedrige Immobilienpreise, frage er sich schon, so Küstner, „wo denn die Leute aus den Ballungszentren bleiben, um hier ihre Schnäppchen zu machen?“ „Wenn man will, kann man annähernd gleichwertige Bedingungen schaffen und Defizite abstellen, da diese nicht in der Historie liegen und unlösbar scheinen“, findet der Unternehmer aus Thiersheim. Und er kündigt an, „mich weiterhin persönlich zu engagieren und dafür zu kämpfen, die Situation in unserem Landkreis etwas gleichwertiger zu machen“.

Es ist weder möglich noch wünschenswert, alle Dinge im gesamten Freistaat gleich zu gestalten.

Innenminister Joachim Herrmann

 

Wir müssen endlich anfangen und den ersten Nagel reinhauen.

Unternehmer Rolf Küstner

 

Innenminister Herrmann: „Bayern steht an der Spitze des Fortschritts“

Einige Passagen aus dem Brief von Innenminister Joachim Herrmann an Rolf Küstner:

„Ich mache Sie in diesem Zusammenhang aktuell lediglich auf die Heimatstrategie aufmerksam, die der Ministerrat am 5. August 2014 in Nürnberg mit der Zielrichtung ,aktivieren statt alimentieren‘ beschlossen hat. Schon das politische Signal, dies bei einer auswärtigen Sitzung in Franken zu tun, ist allgemein gewürdigt worden. Mir ist aber bewusst, dass es Menschen gibt, denen keine Förderung ausreichend erscheint und die stets noch mehr verlangen.“

„Im Hinblick auf die Haushaltslage der Kommunen, die Sie in Ihrem Schreiben besonders ansprechen, ist der kommunale Finanzausgleich Kernelement zum Ausgleich finanzieller Disparitäten im Land. Ich erinnere Sie daran, dass der kommunale Finanzausgleich in Bayern seit 2011 um 18,1 Prozent gestiegen ist und 2014 mit einem Volumen von über acht Milliarden Euro ein noch nie dagewesenes Rekordniveau erreicht. Die Schlüsselzuweisungen des Freistaates an die Kommunen werden 2015 auf einem neuen Höchststand von mehr als drei Milliarden Euro liegen.“

„Bitte beachten Sie, dass ,gleichwertig‘ nicht ,gleichartig‘ bedeutet. Die einzelnen Landesteile Bayerns haben aufgrund unterschiedlicher natürlicher, historischer, struktureller, gesellschaftlicher und kultureller Gegebenheiten eine verständlicherweise unterschiedliche Entwicklung genommen und werden dies auch künftig tun.

Es ist weder möglich noch wünschenswert, alle Dinge im gesamten Freistaat völlig gleich zu gestalten. Gleichwertige Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen sind eine gesamtgesellschaftliche und keine alleinige Aufgabe des Staates. Anders als Sie offenbar annehmen, kann aus Art. 3 Abs. 2 S. 2 der Verfassung auch kein individueller Rechtsanspruch auf gleichwertige Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen oder auf Ausgleich tatsächlicher oder vermeintlicher Nachteile hergeleitet werden.“

„Sie werden im Übrigen nicht ernsthaft annehmen oder verlangen, dass man für ein Haus oder eine Wohnung in ganz Bayern, auch bei ansonsten gleichwertiger Ausstattung, stets den gleichen Wert erzielen kann. Dafür genießen Sie im Landkreis Wunsiedel ein Miet-und Kaufpreisniveau für Häuser und Wohnungen, von dem die Menschen zum Beispiel in München, Nürnberg oder Augsburg nur träumen können.“

„Sie können versichert sein, dass Bayern – gerade im Vergleich mit den anderen deutschen Ländern – an der Spitze des Fortschritts steht und sowohl in pulsierenden urbanen Zentren als auch im attraktiven ländlichen Raum Lebensverhältnisse bietet, um die uns andere beneiden.“

… mehr Link >>>

Verwandte Beiträge