Seit Tagen treten in Deutschland Flüsse über die Ufer, eine Scheitelwelle jagt die nächste. Noch immer ist die Lage prekär, ganze Dörfer liegen unter Wasser, ganze Landstriche zittern. In Magdeburg macht sich Pessimismus breit. Eine große Flutwelle droht am Zusammenfluss von Elbe und Saale.
23.23 Uhr: Was läuft heute anders als beim Hochwasser von 2002? Einsatzleiterin Jurzig nennt einen triftigen Grund, warum die Umgebung jetzt so viel mehr zu kämpfen hat: ?Dieses Mal haben wir statt einer gleich zwei Jahrtausendfluten auf einem Fleck: Eine aus der Saale und eine aus der Elbe. Da hier in Rosenburg die beiden Flüsse ineinander münden, haben wir mit viel größeren Wassermassen zu kämpfen als beim letzten Mal.?
23.02 Uhr: In einem Fitnesscenter in Zuchau ist das Einsatzzentrum zur Verteidigung des angeschlagenen Damms vor Groß-Rosenburg untergebracht. Drei Helikopter bringen Sand in Big Bags an die Innenseite des Walls, damit er nicht wegrutscht. Einsatzleiterin Janine Jurzig hat wieder ein wenig Hoffnung, den Damm halten zu können. ?Heute morgen ging es ausschließlich darum, Menschenleben zu retten, jetzt können wir auch wieder an die Häuser denken?, sagte sie FOCUS Online. Unten am Damm sitzt hoch oben im Schöpfwerk ein Experte des Wasserwirtschaftsamtes und beobachtet das Geschehen im Flutlicht. Er ist spät am Abend zum ersten Mal an diesem Tag vorsichtig optimistisch: Es könnte gelingen, den verloren geglaubten Damm und damit die Orte im Elbe-Saale-Dreieck vor dem Untergang zu retten.
21.14 Uhr: Das Ehepaar Schulz-Volkmann musste heute sein Haus in Aken verlassen. Die 8000-Einwohner-Stadt wurde evakuiert, weil die Elbe an einer Stelle den Deich überschwappt. An einem zweiten Gefahrenpunkt ziehen Helfer hinter dem Deich einen Kieswall auf. ?Die Evakuierung kam überraschend, wir hörten im Fernsehen, dass Aken sicher ist. Gleichzeitig fuhr draußen ein Wagen mit Lautsprecher vorbei, der uns aufforderte, das Haus zu verlassen.? Die Schulz-Volkmanns sind im ?Goldenen Engel? in Wulfen untergekommen. Beim Grillen auf der Terrasse trifft die Nachricht ein, dass in Wittenberg neue Gewitter aufziehen. 40 Liter auf den Quadratmeter soll es regnen. ?Das fehlt gerade noch, da werden die Dämme noch weicher.?
19.41 Uhr: Am Goitzschesee, den wir gestern aufsuchten, entspannt sich die Lage, heißt es. Ein Helikopter kann deshalb nun von dort abgezogen und hier nach Groß-Rosenburg an den kritischen Deich geschickt werden. Eine 20 Meter lange Delle des Damms soll mit Big Packs aus der Luft gestopft werden, um einen kompletten Bruch, der die angrenzenden Dörfer Groß- und Klein Rosenburg unter Wasser setzen würde, zu verhindern.
15.45 Uhr: Ole Mävers ist aus Niedersachsen in das bedrohte Gebiet an der Saale gekommen. Er hilft den Eltern seiner Freundin, füllte etliche Sandsäcke auf einem Hof in Lödderitz ? bis er sich einen Wirbel verrenkte und im Rettungswagen in die Klinik gebracht wurde. Mävers entließ sich heute selbst, trampte zurück und half bis zur Evakuierung vorhin, Sachen aus der Gefahrenzone zu bringen. Die Menschen gehen hier an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit.
14.29 Uhr: Die Einsatzleitung für den Katastrophenfall an der Saale hat sich in das nahe gelegene Zuchau zurückgezogen. ?Der Damm ist auf einem Stück von etwa 200 Metern abgesackt und nicht mehr zu halten?, sagt ein Sprecher des Salzlandkreises. Ein Fuchs-Panzer bringt Evakuierte in den Rückzugsort. Dieses Bundeswehrgefährt wäre im Notfall schwimmfähig. Andere Fahrzeuge dürfen nicht mehr in die tieferen Regionen.
14.09 Uhr: Sachsendorf ist nach der Evakuierung nahezu menschenleer. Die letzten Verbliebenen sind in großer Eile.
13.38 Uhr: Die Ortschaften entlang der Saale im Elb-Saale-Winkel sind inzwischen evakuiert. Auch alle Helfer haben sich vom porösen Damm vor Klein-Rosenberg zurückgezogen. ?Dort herrscht akute Lebensgefahr?, sagt André Sabzog, Sprecher der Bundeswehr. ?Der Deich hat bereits einen kleinen Riss, Wasser sickert durch.? Bei einem Bruch des Deichs würden enorme Wassermassen die nahen Ortschaften fluten.
12.24 Uhr: In Lödderitz, einem Ortsteil der Stadt Barby im Salzlandkreis, ist selbst das Feuerwehrhaus bereits verwaist. Ein paar Häuser weiter stapelt ein Mann verzweifelt Sandsäcke vor seine Tür. ?Sie haben gesagt, dass Wasser kann hier zwei bis drei Meter hoch kommen.? Er hält diese Prognose für übertrieben und wollte bleiben. Doch nun wird auch er den Ort verlassen, denn die Polizei droht mit einem hohen Bußgeld.
11.47 Uhr: Wir sind jetzt im Elbe-Saale-Winkel. Hier sind bei Lödderitz und bei Groß-Rosenburg Dämme so schwer beschädigt, dass nur die Evakuierung bleibt. Gut 3000 Menschen verlassen in Autokolonnen über Holperstrecken ihre Heimat. Sie hatten nur wenig Zeit, um das Nötigste mitzunehmen. Auf dem Heck eines fahrenden Pick-up sitzt ein Mann, er zieht an einem Seil ein galoppierendes Pferd mit.
11.20 Uhr: Wenn man zwischen den vielen herumwuselnden Helfern, rauschenden Funkgeräten und schreienden Feuerwehrmännern steht, fragt man sich: Wie und wer organisiert solche riesigen Rettungsaktionen? In Magdeburg leistet das Bürgertelefon eine große Hilfe, damit die unübersichtliche Situation nicht im heillosen Chaos endet. Dort können Freiwillige anrufen und sich registrieren lassen. Über die Telefonnummer 03 91/ 5 40 77 77 werden die Kontakte an den Katastrophenstab weitergeleitet. Dieser entsendet die Helfer anschließend gezielt zu den Orten, wo sie am dringendsten benötigt werden. Das hat nicht nur den Vorteil einer bestmöglichen Arbeitsteilung, sondern auch versicherungstechnische Gründe. Sollte sich eine Person während der Arbeit verletzen, kann dies reibungsfrei mit der Versicherung abgewickelt werden.
10.46 Uhr: Der Pegel der Elbe steigt weiter, nun sind es 7,32 Meter, drei Zentimeter mehr als am frühen Morgen.
10.16 Uhr: 20 000 Sandsäcke wurden von der Einsatzleitung in Magdeburg am Ufer der Zollelbe geordert. Kurz vor 10 Uhr, traf die erste Ladung endlich ein. Dank der großen Unterstützung der zivilen Helfer ist der Lkw innerhalb weniger Minuten leer geräumt und die Sandsäcke an den Sickerstellen der Ufermauer platziert. ?Die Leute wollen alle gerne helfen, nur haben wir nicht genügend Nachschub an Säcken, um alle einzubinden?, meint einer der engagierten Helfer David Pohlmey, der mit seiner ganzen Familie angerückt ist.
10.06 Uhr: Hajo Ernst wohnt im Streifen zwischen Alter Elbe und dem Hauptarm. Mit seiner Ortskenntnis berät er die Helfer. Seit Tagen füllt und stapelt er Sandsäcke, und schon wieder steht das Wasser am aufgebauten Wall bis ganz oben und droht, in das Wohngebiet zu brechen. In der Nacht wurde seine Mutter aus dem nahen Altenheim nach Brandenburg evakuiert. Hajo Ernst bleibt trotz allem optimistisch: ?Wir schaffen das?, sagt er und radelt weiter zur nächsten Gefahrenstelle.
08.55 Uhr: Nach dem jüngst erreichten Rekordstand von knapp 7.30 Meter gibt sich das Volk pessimistisch. ?Magdeburg wird untergehen. Eine Woche lang werden die Dämme diese Last niemals aushalten können?, befürchtet eine Kellnerin und fügt hinzu: ?2002 hieß es, es hätten bloß 10 Zentimeter zur Überflutung des Allee Centers im Zentrum gefehlt. Heuer sind es schon 50 Zentimeter mehr als damals.? Auch den Anwohnern Buckaus schwant nichts Gutes. Anwohner André Brocke deutet auf den Bürgersteig, wo er soeben den Tragesitz mit seinem schlafenden Baby abgestellt hat. ?Morgen werden wir hier nicht mehr stehen können.?
08.11 Uhr: Die Elbe fließt in drei Armen durch Magdeburg. Der Fluss ist nirgendwo weit weg. Was an ruhigen Tagen eine schöne Fluss-Stadt auszeichnet, wird nun zum Würgegriff. Es gibt zu viele kritische Stellen. Während hier die Retter für den Erhalt der Dämme kämpfen, erreicht uns eine E-Mail aus Deggendorf. Der Feuerwehrkommandant Reinhard Janka hat Fotos gemacht, als er mit dem Boot durch sein Natterberg, den versunkenen Nachbarort des ebenso verschwundenen Fischerdorfs fuhr. Auf einem Bild steht ein Auto noch jetzt, Tage nach dem Isar-Dammbruch, bis zum Dach im Wasser, ein anderes zeigt ein Haus, das noch immer bis zum Balkon vom Wasser eingefasst ist. Was Deggendorf erlebte, kann in Magdeburg noch verhindert werden.
07.00 Uhr: Der Pegel der Elbe in Magdeburg steigt weiter. Am Morgen werden 7,29 Meter gemessen. Beim Hochwasser 2002 war ein Höchststand von 6,72 Metern erreicht worden. Üblich sind für den Fluss in Magdeburg knapp zwei Meter. In der Zollstraße auf dem Werder gewinnt die Lage stündlich an Dramatik. Dort drückt das Wasser der Elbe gegen die Ufermauer. Auch Grundwasser steigt vermehrt auf. Die Helfer evakuieren ein Altenheim in der Uferzone der Stadt.
02.10 Uhr: Der Sportplatz von Pechau außerhalb Magdeburgs wurde zum Retter-Stützpunkt umfunktioniert. Große Sandmengen werden angeliefert, unter Flutlicht arbeiten Bagger und Kipper, um das Material Richtung Damm zu bringen. Helikopter sind im Einsatz, sie werfen aus der Luft Big-Packs in den schwächelnden Damm. Es geht hier um die Rettung Magdeburgs. Nur wenn an dieser Stelle der Umflutkanal gesichert wird, bleibt der große, ostelbische Stadtteil Cracau trocken. Pechau, gut 500 Einwohner, sonst in der Nacht wohl sehr still, dunkel und ruhig, ist zum beleuchteten und belebten Zentrum der Krise geworden. Kolonnen von Wagen der Feuerwehr, des THW, der Wasserwacht und des Roten Kreuzes parken hier, Blaulicht kreist, Funkgeräte knacken. Die Bundeswehr hat Soldaten in Bussen in den Vorort gebracht. Der Einsatz dauert die ganze Nacht an, Entspannung ist nicht in Sicht, der Pegel der Elbe steigt weiter ? obwohl er längst Rekordhöhe hat.
23.22 Uhr: Besonders gefährlich ist die Situation am Magdeburger Stadtrand bei Pechau. Mit aller Kraft versuchen dort die Einsatzkräfte, den Damm zu halten. Bricht er, wären große Teile des ostelbischen Magdeburgs geflutet. Mit Martinshorn und Blaulicht jagt ein Löschzug nach dem anderen durch leergefegte Straßen Richtung Damm.
23.18 Uhr: Im Magdeburger Stadtteil Buckau steht das Wasser unten an der Elbe jetzt schon hüfthoch. Der Pegel ist wieder gestiegen. Durchs Wasser waten die Bewohner zu ihren dunklen Wohnungen, unter ihnen eine Schwangere. Ein junger Mann kehrt zurück, obwohl er Parterre schläft. Er hat sein Bett dafür aufgebockt. ?Hier wurde niemandem eine Notunterkunft angeboten?, sagt André Brocke, der auch eine Wohnung im überschwemmten Viertel hat. Er hat den Eindruck, dass die Stadt das Hochwasser kräftig unterschätzt hat. ?Und da kommt noch mehr Wasser aus Tschechien nach.?
22.15 Uhr: Der Abend ist lau, und am Elbufer wimmelt es von Schaulustigen. Ein Fahrradfahrer kracht gegen eine knatternde Pumpe im braunen Wasser. Erst ein lauter Schrei eines Feuerwehrmanns lässt ihn aufschrecken. Jetzt spannen die Einsatzkräfte Absperrbänder um den Einsatzort.
21.45 Uhr: Das Kanu Zentrum des SC Magdeburg steht kurz vor der Überflutung. Der Stützpunkt wo die deutschen Olympiasieger trainieren ist durch Sandsäcke gesichert, doch die Zoll-Elbe steht schon bedrohlich nah an dem Flachbau des renommierten Kanu Clubs.
20.23 Uhr: Nicht jeder Arbeitgeber hat Verständnis für freiwillige Hochwasser-Helfer. MDR Info meldet gerade auf unserer Fahrt nach Magdeburg, dass schon etlichen Helfern von ihren Chefs fristlos gekündigt wurde.
19.49 Uhr: Kristina Pannier wohnt einen Steinwurf vom anschwellenden Goitzschesee entfernt. Sie bleibt trotz Warnungen in ihrem Uferhaus und lenkt sich mit Gärtnern ab. ?Wenn der Damm bricht, gehen die Sirenen los, und ich krieg´s eh mit!? Notfalls will sie schnell ins Auto springen oder sich im ersten Stock verschanzen.
19.13 Uhr: Der Goitzschesee liegt ruhig und mit leichtem Hochwasser in der Sonne, er wirkt eher beschaulich als bedrohlich. Das Szenario, das die Menschen hier fürchten, ist mit bloßem Auge nicht zu erkennen: Wenn weiter hinten der vom Wasser der Mulde üppig gespeiste Seelhausener See in den Goitzschesee rauscht, droht hier eine Springflut. ?Das wär wie ein Tsunami, weil der hintere See einige Meter höher als der vordere liegt?, sagt ein Radfahrer am Ufer. Von der Gefahr künden Hubschrauber am Horizont. Sie werfen Material zur Verstärkung gebrochener Dämme ab.
18.27 Uhr: Bitterfeld gleicht einer Geisterstadt, die Straßen sind leer, nur ein paar letzte Widerständler ignorieren den Aufruf, die Notunterkunft aufzusuchen. Die Dönerbude von Onkel Apo hat noch offen, auch wenn es keine Kunden mehr gibt. Fast keine, denn da kommt noch einer: ein großflächig tätowierter Mann mit Löchern in den Ohren. ?Mir macht das Wasser nichts, ich wohn im Vierten?, sagt er und grinst.
16.57 Uhr: Halle kehrt langsam, aber sicher in den Normalbetrieb zurück. In den Cafés am Saale-Ufer liegen noch Sandsackreihen an den Mauern, doch die Menschen sitzen schon wieder an den Tischen und genießen nach den langen Tagen des Regens und der Flut die Sonne. Nur 30 Kilometer weiter dagegen ist die Situation dramatisch. Bitterfeld könnte bei einem Elbe-Dammbruch geflutet werden. Und nicht alle Bewohner folgen dort angeblich den Aufforderungen zur Evakuierung.
15.55 Uhr: Halle sieht in manchen tief gelegenen Straßen aus wie nach einer Straßenschlacht. Mülltonnen liegen herum, Gerümpel, Schmutz, Barrikaden. Die Saale ist hier über die Ufer getreten ? und hat sich inzwischen wieder in ihr Bett verzogen. Überall rattern Pumpen und spucken das Wasser zurück in den Fluss. |
13.20 Uhr:
Auf der Fahrt Richtung Hof wirken die Bilder von der Donau nach. Ein mächtiger Strom hat seine ganze Kraft und Wucht gezeigt. Imponierend, wie die Menschen zusammenstehen, helfen und mitanpacken, um der Naturgewalt Paroli zu bieten. Wir haben Zivilisten getroffen, die vier Tage lang Sandsäcke füllten, am Ende mit blutigen Fingern in den Handschuhen, ohne dass ihr eigenes Haus je in Gefahr gewesen wäre.12.09 Uhr:
Wir machen uns auf den Weg in nördlichere deutsche Flutgebiete. Die Autobahn an Deggendorf vorbei können wir aber nicht nehmen, nur die blauen Schilder sind von ihr noch zu sehen. Der Rest ist jetzt eine Wasserstraße in XXL-Breite.11.52 Uhr: Für die Retter ist nun Zeit um kurz durchzuatmen und von ihren Erlebnissen zu erzählen. Der junge Polizist Daniel Schmidkonz berichtet von einer schicksalhaften Rettung. ?Als der Damm bei uns anfing kritisch auszusehen, begannen wir die umliegenden Häuser zu evakuieren. Unter den Evakuierten war auch ein alter, bettlägriger Mann, der ohne fremde Hilfe sein Haus nicht mehr verlassen konnte und auch nicht wollte. Eine Stunde später stand das Wasser in seinem Haus 2,30 Meter hoch. Wären wir nicht zur Stelle gewesen, hätte dieser Mann nicht überlebt.?
11.18 Uhr:
Feuerwehrkommandant Reinhard Janka aus Natternberg war soeben mit dem Boot in den am schlimmsten betroffenen Gebieten seiner Gemeinde direkt bei Fischerdorf. Er berichtet von extremen Schäden. ?Überflutete Autos und Lkw, aufgeschwemmte Heizöltanks auf Garagendächern, Häuser bis zum ersten Stock im Wasser.? Ein großes Problem sieht er auch durch Öl und Benzin in der Hochwasser-Brühe: ?Das Wasser in und um die Häuser ist kontaminiert.?10.39 Uhr:
Peter Wagenpfeil ist Bewohner von Niederalteich ? eigentlich. In diesen Tagen schläft er auswärts und kehrt untertags mit dem Boot an sein Haus zurück. Heute will er sich erstmals ins Innere vorwagen. ?Bin gespannt, wie es da aussieht.? Ihn wundert nichts mehr, seit in seinem Garten große Karpfen schwimmen.09.49 Uhr:
Wir sind in Niederalteich bei Deggendorf, der Ort steht seit Tagen unter Wasser. Weil wir mit dem Auto nicht mehr weiterkommen, nehmen wir ein Schlauchboot. Uns begegnen bizarre Bilder in einem verlassenen Ort: Straßenpfosten, die nur noch eine weiße Haube zeigen, Zäune, von denen nur ein paar Spitzen aus dem Wasser ragen und Häuser, deren Vorgärten jetzt braune Seen sind.08.30 Uhr:
Bei der Fahrt durch die Landkreise Straubing und Deggendorf zeigt das Grauen Flut eine fast schon idyllische Seite. In versumpften Wiesen fischen Reiher nach ihrem Frühstück, während die Sonne im stehenden Wasser glitzert. Die Donau, verbreitert zu einem uferlosem Strom, erinnert mit ihren gefluteten Bäumen und Birkenwäldern, die aus dem braunen Wasser herausragen, an Bilder des Amazonas. Gänzlich unwirklich wird die Szenerie, wenn plötzlich wie hier bei Winzer Häuser und Gehöfte aus dem Donau-See ragen.07.17 Uhr:
Leichte Entspannung in Deggendorf: Die Nacht in der Notunterkunft in Osterhofen verlief ruhig, es mussten keine neuen Evakuierten aufgenommen werden. Über Nacht hielten die aufgeweichten Deiche der Donau, und die Pegel fallen weiter ? wenn auch nur sehr langsam. Und am Wochenende wird neuer, starker Regen erwartet. Die Autobahn A92 ist jetzt zwischen Deggendorf und Plattling auf je einer Spur wieder frei. Weiterhin bleibt aber der Anschluss vom Kreuz Deggendorf in Richtung Passau und auch in Richtung Regensburg unpassierbar. (Florian Festl)Tag II: FOCUS-Online-Redakteur Florian Festl und FOCUS-Online-Autorin Nina Damsch nehmen ihren Report aus den Flut-Gebieten wieder auf.01.19 Uhr: In der Notunterkunft schlafen Helfer und Flutopfer. Die meisten evakuierten Menschen sind jedoch bei Verwandten und Bekannten untergekommen. (Florian Festl)
01.02 Uhr: Die Feuerwehr ist darauf gefasst, auch in dieser Nacht auszurücken. Entdecken Dammwachen mit ihren Taschenlampen brüchige Stellen, schlagen sie Alarm. Zentrale Stellen in Deggendorf und Straubing geben dann den Befehl zum Ausrücken. Gibt es einen Einsatz, werden auch die FOCUS-Online-Reporter durch einen schnellen Handy-Anruf informiert. Sollte die Nacht an den Dämmen der Umgebung ruhig bleiben, melden wir uns am Morgen wieder.
23.05 Uhr: In einer Atmosphäre der angespannten Ruhe gehen die Retter in die Nacht, die Einsatzzentralen in um Deggendorf bleiben in Alarmbereitschaft. Für eine Entwarnung ist es noch zu früh, schon am Wochenende werden hier weiter starke Regenfälle erwartet. (Florian Festl)
22.15 Uhr: Im Feuerwehrhaus der Donaustadt Osterhofen schildern die Retter ihre Erlebnisse. Einsatzleiter Daniel Schmidkonz erzählt von einem Dammbruch nahe Winzer bei Deggendorf. Zwei Menschen retteten sich auf das Dach ihres Traktors, weil sie von den herbeiströmenden Wassermassen überrascht wurden. Bei einer halsbrecherischen Rettungsaktion, bei der der Traktor umkippte, konnten die beiden Personen per Helikopter aus der reißenden Strömung gerettet werden. ?Noch nie in meinem Leben verspürte ich eine derartige Angst!? Schmidkonz ist inzwischen seit 36 Stunden im Einsatz. Und es ist kein Ende in Sicht. (Nina Damsch)
20.55 Uhr: Der Deggendorfer Kreisbrandmeister Xaver Altschäfl ist vor Ort, er gibt Entwarnung für den Damm bei Osterhofen. ?Weil Dammwachen früh die Gefahrenstelle erkannt haben und dann mit aller Kraft ein großer Kieswall aufgezogen wurde, halten wir die Donau hier in ihren Grenzen.? Altschäfl sagt, dass jederzeit an einer anderen Stelle des Damms ein ähnlicher Notfall eintreten könne. (Florian Festl)
20.13 Uhr: Seit dem frühen Morgen verstärken Helfer den Damm bei Osterhofen. Noch immer fließt die Donau nur wenige Zentimeter unter der Deichkrone. Es wurde unter höchstem Zeitdruck eine große Ingenieursleistung vollbracht: 30 Lastwagen karrten Kies heran, vier Bagger bauten in dem evakuierten Gebiet einen fünf Meter breiten Wall vor dem maroden Damm, der an einer Stelle schon angefangen hatte in die Donau zu rutschen. Jetzt ziehen die Bagger ab, dieses Mal siegen die Dammbauer gegen die Wassermassen. (Florian Festl)
19.21 Uhr: In Plattling staut sich der Verkehr, mit Blaulicht und im Korso kommen Wagen der Wasserwacht entgegen, auf ihren Anhängern liegen Boote. Wie extrem die Verkehrssituation ist, hat zuvor schon eine Helferin im Feuerwehrhaus von Steinkirchen erzählt: ?Eine Bekannte hat gestern mit dem Auto für eine 20-Minuten-Strecke sechs Stunden gebraucht.? (Florian Festl)
19.01 Uhr: In Uttenhofen nahe Deggendorf räumt eine Anwohnerin Sandsäcke vor der Haustüre weg, um den Schlamm wegzuschippen. ?Ich lasse die Säcke in Griffweite, denn wenn bei Straubing der Damm bricht, geht es von vorne los?, sagt die 74-Jährige. Sie hält alleine in ihrem Haus die Stellung, in dessen Keller noch immer zwei Meter Wasser stehen. (Florian Festl)
18.11 Uhr: Der Feuerwehrmann kämpft seit Tagen gegen die Fluten. Er leitete den Einsatz, der den Isardamm bei Deggendorf retten sollte. Zehntausende Sandsäcke verbaute seine Mannschaft auf der Krone des Bauwerks, doch es reichte nicht, das Wasser war stärker. ?Es war ein bitterer Moment, den Rückzug anzuordnen?, sagt App. Er musste zusehen, wie Fischerdorf binnen Stunden in den Fluten verschwand. Alexander Apps Einsatzort ist jetzt Steinkirchen. Er hofft, dass dieser Damm hält. ?Der Damm schwabbelt wie Pudding, er ist stark durchweicht.? (Florian Festl)
17.28 Uhr: Die flussnahen Bereiche von Steinkirchen bei Plattling drohen bei einem Dammbruch in den Fluten zu versinken, der Ort ist teilweise überschwemmt und evakuiert. Feuerwehrkommandant Norbert Retzer rechnet mit einer Entwarnung erst Ende nächster Woche ? wenn der Donaudamm hält. Er ist seit vier Tagen im Einsatz, bei vier Stunden Schlaf insgesamt. Die Pegel sinken nur sehr langsam, fielen heute vom Höchststand 8,30 Meter auf jetzt 8,10 Meter, beim bisherigen Rekordhochwasser 1954 stand das Wasser über einen halben Meter tiefer. (Florian Festl)
15.50 Uhr: Konvois des Katastrophenschutzes mit schwerem Gerät sind auf der A3 unterwegs, an einer Autobahnbaustelle füllen Soldaten Säcke mit Sand. Sie packen Ladeflächen großer Bundeswehrtrucks damit voll. (Florian Festl)
15.36 Uhr: Über Regensburg türmen sich dicke Wolken. Weil mit neuem Regen gerechnet wird, gilt in der Donaustadt noch immer Katastrophenalarm. Derzeit schürfen die Bewohner dort hart werdenden Schlamm aus ihren Häusern. Seit fünf Tagen sind die Helfer im Dauer-Einsatz. Es geht weiter Richtung Deggendorf. (Florian Festl)
14.58 Uhr: Abstecher von der A93 nach Eining. Dort, wo sonst eine Donaufähre Ausflügler über den Fluß bringt, hat sich eine Auenlandschaft ausgebreitet. Das Häuschen des Biergartens steht fast bis zum Dach im Wasser. Zwischen den Bauernhöfen riecht es brackig, nach Hafen statt nach Mist. Der Fährmann und zwei Helfer der Feuerwehr brechen mit einem Motorboot auf für erste Aufräumarbeiten, um verkeilte Äste zu lösen. (Florian Festl)
14.46 Uhr: Horst Seehofer hat den Hubschrauber, der hier gerade fehlt. Er spricht im Autoradio auf B5 von einem nie dagewesenen Ausmaß einer Flutkatastrophe in Bayern. Der Ministerpräsident ist nach dem Überflug erschüttert von der Lage in Deggendorf. Im Verkehrsfunk laufen die vielen Sperrungen wegen des Hochwassers. (Florian Festl)
14.30 Uhr: Auch im kleinen Wolnzach, dem Hopfen-Ort, gibt es Donauschiffer. Einer ist mein Bekannter Klaus Ivanca, er schippert alles, was richtig schwer ist, also Bagger, Kräne, Mähdrescher, über Deggendorf oder Regensburg hinab bis ans Schwarze Meer. Was die Landwirte und Baufirmen hier aussortieren fährt dort unten noch jahrzehntelang weiter. Ivanca spricht von einer ?Riesen-Katastrophe?, die sich in diesen Tagen abspielt. Er glaubt, dass seine Donau noch Tage lang nicht schiffbar sein wird. ?Dort werden sie aufräumen müssen, die Fahrrinne säubern?, sagt Ivanca. ?Da ist so viel kaputt, im Fluss liegen Schuttmassen.? Es wird eh Zeit, dass mal wieder einer aufräumt in der Donau: ?Es würde mich nicht wundern, wenn bei der Bergung auch noch alte Weltkriegspanzer auftauchen.? Ich frage Ivanca, wie man sich dem Hochwasser am besten nähern kann. Ein Flugzeug, meint er. Die Zufahrten zur Donau in Niederbayern sind weiträumig abgesperrt, auf den Autobahnen dort steht das Wasser meterhoch. Weil ich gerade kein Flugzeug im Vorgarten habe, packe ich meine Sachen, und fahre los ? mit dem Auto, ich nehme die A93 Richtung Regensburg. (Florian Festl)
14.01 Uhr: Jetzt scheint die Sonne, die Vögel zwitschern. Weit weg erscheinen die Bilder aus dem nahen Deggendorf, das teilweise aussieht wie nach einem Tsunami. Ich könnte jetzt in die Redaktion fahren und von dort bis weit in die Nacht hinein über das Hochwasser in Europa berichten ? mit Informationen anderer Reporter und aus Nachrichtenagenturen. FOCUS Online sitzt in München, wo die Menschen schon wieder das schöne Wetter in Biergärten genießen. Passt das, wenn gar nicht allzu weit weg die Jahrtausendflut wütet? Ich beschließe, der Flut hinterherzufahren, um das Geschehen für unsere Leser von unterwegs näher und direkter zu schildern. (Florian Festl)
13.50 Uhr: Wolnzach, mein Wohnort im Norden Münchens, gelegen in der Hallertau. Rundum wird der Hopfen für das Bier angebaut, nur ein Rinnsal fließt an normalen Tagen durch den Marktflecken. Die letzten Tage aber war dieses Bächlein zu einem reißenden Strom angeschwollen, alle Uferwege sind unterspült. Außerhalb des Ortes sammelte sich braune Brühe in großen Seen, wo sonst nur Wiesen sind. Anderswo im Landkreis Pfaffenhofen, zu dem Wolnzach gehört, war es noch schlimmer, Tag und Nacht kämpften Helfer an Ilm und Paar gegen die Fluten, pumpten Keller aus und bauten Sandsackwehre ? bis gestern der Katastrophenalarm aufgehoben wurde. (Florian Festl)