Spieletest zum Action-Adventure Remember Me: Der Schatten der Erinnerung

Gepostet am Jun 8, 2013

Der Schatten der Erinnerung

07.06.2013, 14:03 Uhr | (jr / ams), Richard Löwenstein

Remember Me Action-Adventure von Capcom für PC, PS3 und Xbox 360 (Quelle: Capcom)

Remember Me (Quelle: Capcom)

So ein hübscher Hintern wackelt nicht allzu häufig vor einem herum: Ein paar Wochen lang wird sich die Heldin von Capcoms Action-Abenteuer „Remember Me“ allein schon deshalb bei uns im Gedächtnis verankern können, weil sie ihre vier Buchstaben so charmant vor der Third-Person-Kamera her trägt. Damit wäre ein wesentlicher Hingucker des futuristisch gestyltem Science-Fiction-Actiongames für PC, PS3 und Xbox 360 bereits erwähnt. Es gibt aber weitere und sogar etwas Gameplay. Die sexy Heldin rennt und klettert, was das Zeug hält, und lässt sich ab und zu auf Massenprügeleien ein – was einen schon ein bisschen an Tomb Raider und „Batman: Arkham Asylum“ erinnert. Nur dass die Heldin in diesem Fall weder verschollene Artefakte noch böse Buben jagt, sondern ihre eigenen Erinnerungen.

Remember Me: Aufbruch in eine trübe Zukunft

Bienvenue in der fiktiven Stadt Neo-Paris des Jahres 2084. Das französische Entwickler-Team Dontnod zeichnet ein trübes Bild der Zukunft, vergleichbar mit „Total Recall“ und „Binary Domain“. Die wohlhabenden Viertel von Paris sind durch Hightech und Reichtum geprägt. Dem stehen menschliches Siechtum im sogenannten Slum 404 gegenüber und Fäulnis in den Katakomben unterhalb der Straßen. Hier leben Kreaturen, bleich und feingliedrig, eher einem Molch als einem Menschen gleichend. Verantwortlich für den Verfall ist ein Unternehmen namens Memorize. Deren Technologie namens „Sensen“ saugt Gedanken und Bilder aus menschlichen Gehirnen. Memorize verkauft diese Erlebnisse an seine zahlende Kundschaft.

Leichter Einstieg ins Spiel

Doch Sensen wirkt wie eine Droge und lässt bei Süchtigen die Lebensfreude verdorren. Das erfährt man im Rahmen eines spielbaren Einstiegstrainings. Es zeigt, wie die Heldin Nilin – als Gedankenjägerin eine der besten Mitarbeiterin von Memorize mit ihrer Fähigkeit, Erinnerungen anderer nicht nur via Sen-Sen auszulesen, sondern sie auch zu stehlen und zu verändern – aus einem Albtraum erwacht. Nilin kann sich an nichts erinnern, ihr Gedächtnis wurde gelöscht. Wieso, warum? Hat sie etwas erfahren, was sie nicht sollte? Sie weiß es nicht mehr und muss im weiteren Verlauf der Handlung herauskriegen, was geschehen ist.

Gottlob melden sich binnen weniger Minuten Freunde via Sprechfunk zu Wort. Im Spielverlauf wechseln die virtuellen Begleiter und treiben die Action mit Tipps zur Steuerung, Missionszielen und erläuternden Worten voran. Erst mal ein bisschen Lauftraining. Dann ein paar Angreifer niederprügeln und schließlich über eine Handvoll Dächer und Wände hechten – klappt doch. Nilin lernt schnell, der Spieler auch, und so ist das erste Etappenziel bald erreicht. Als Mittel zum Zweck schließt sich die taffe Brünette kurzerhand der Rebellengruppe der ?Erroists? an, die seit langem das Treiben der Gedankenhändler anprangert und Nilin mit ihren besonderen Fähigkeiten zu waghalsigen Aufträge schickt.

Mehr Film als Spiel

Von Anfang an wird die Action häufig durch Kamerafahrten unterbrochen, sodass sich manche Etappen eher nach spielbarem Kinofilm als nach Videospiel anfühlen. Bei einem Tutorial liegt das in der Natur der Sache, und später erhält das Gameplay dann auch mehr Raum. Dennoch bleibt es bei einem erlebnisreich choreografierten, aber außerordentlich geradlinigen Ganzen. Egal ob Nilin durch die Katakomben unterhalb von Paris schleicht, über die Dächer des mondänen Saint-Michel-Viertels rennt oder sich durch graue Industrie-Werkstätten irgendwo in Neo-Paris kämpft: Alle Wege abseits des Gameplay-Korridors enden nach wenigen Schritten. Die Steuerung nimmt einem fast schon zu viel ab. Ihren Weg findet die Heldin in vielen Situationen wie von allein. Bei Klettereien und Hangeleien gibt man per linkem Analogstick nur grob die Richtung vor, und löst einen Sprung aus. Der Rest klappt von selbst. Zu kurz springen oder in eine Schlucht abstürzen, das ist oft gar nicht möglich.

Variantenreiches Kampfsystem

Alle paar Minuten, weder zu selten noch zu häufig, stolpert Nilin unversehens in eine Halle oder auf andere Weise abgesteckte Arena. Mit Händen und Füßen vertrimmt sie Wachen und Mutanten in den verschiedensten Ausprägungen, bevor sich das Tor zu weiteren Etappen öffnet. Die Massenschlägereien wurzeln in einem ausbau- und anpassungsfähigen Kampfsystem. Nilin lernt im Spielverlauf Tritte, Schläge, Kopfnüsse, Salti- und Ausweichmanöver dazu, sogenannte „Impressons“. Per Kombo-Baukasten kann man jederzeit Attacken nach Belieben aneinanderreihen. Man kann Kombos so zusammenstellen, dass sie eher ein Plus an Schaden anrichten, oder so, dass sie Nilins Selbstheilung unterstützen. Es ist auch möglich, spezielle Superattacken schneller verfügbar zu machen. Die Gestaltungs-Möglichkeiten sind hier durchaus nicht nur kosmetischer Naur, sondern wirken sich auf das Gameplay aus: So mancher Angreifer lässt sich erst mit bestimmten „Impressons“ wirkungsvoll bekämpfen.

Bossgegner-Fights: Nieder mit den großen Jungs

Ein halbes Dutzend aufwendig inszenierter Bossgegner-Höhepunkte hebt die Spannung zusätzlich. Die Auseinandersetzungen mit Johnny Greenteeth und anderen groß geratenen Fieslingen verdienen sich für ihre dramatische, in Etappen gestaffelte Inszenierung ein Kompliment. Wenn sich Nilin etwa dem hünenhaften Kid X-Mas nach langem Kampf wie eine Furie auf den Leib wirft, dessen Deckung mit einem Fauststakkato durchbricht und in einer letzten Anstrengung per Finishing-Move erlöst: Ja, das fühlt sich schon befreiend und erhebend an.

Was uns gefällt

Die deutsche Spielfassung kommt ohne Kürzungen aus und ist zudem prima synchronisiert. Die Kulissen wechseln häufig zwischen Hightech- und Schmuddel-Look, die Augen kriegen also viel Abwechslung geboten.

Was uns nicht gefällt

Die Spieldauer beträgt lediglich acht bis zehn Stunden. Gut ein Drittel davon setzt sich aus Kamerafahrten, Dialogszenen und überdurchschnittlich vielen Quicktime-Reaktionstests zusammen. Eine Mehrspieler-Komponente fehlt komplett.

Fazit

Unter dem Strich weckt „Remember Me“ durchaus Interesse. Wer hat Nilins Gedächtnis gelöscht, und warum? Welche Ziele verfolgen die Memorize-Bosse? Was führen Nilins Freunde im Schilde, und welche Wirkung hat Sensen tatsächlich? Die Suche nach Antworten fügt sich mit flüssig spielbaren Reaktionstests, spannungsreichen Prügeleien, reichlich Kamerafahrten und ein paar anderen auflockernden Elementen zu einem stimmungsvollen Actionerlebnis zusammen. Allerdings fühlen sich die acht bis zehn aufwendig inszenierten Stunden eben auch sehr geradlinig an. Oft eher wie ein Kinobesuch als ein Videospiel.

Infos zum Spiel

Titel: Remember Me
Genre: Action-Adventure
Publisher: Capcom
Hersteller: Dontnod
Release: Im Handel
Preis: zirka 40 Euro (PC) / zirka 53 Euro (Konsolen)
System: PC, PS3, Xbox 360
USK-Freigabe: Ab 16 Jahren
Wertung: Befriedigend
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