Provider: Was die Vorrats­daten­speicherung kostet

Gepostet am Jun 11, 2017

Die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung kostet die großen deutschen Telekommunikationsprovider bis zu 15 Millionen Euro. „Bisher belaufen sich die Kosten auf rund drei Millionen Euro. Wir rechnen mit weiteren Kosten von bis zu zwölf Millionen Euro“, sagte ein Sprecher der Deutschen Telekom auf Anfrage von Golem.de. Vodafone geht nach eigenen Angaben von Ausgaben „im niedrigen zweistelligen Millionen-Bereich“ aus. Telefónica spricht von „einem mittleren einstelligen Millionen-Euro-Betrag“. Insgesamt können die Ausgaben demnach bis zu 30 Millionen Euro betragen.

Die Angaben der Telekom machen deutlich, dass der Großteil der Kosten für ein System ausgegeben werden müsste, um Mobilfunk- und WLAN-Kunden eine öffentliche IP-Adresse zuordnen zu können. Die Telekom klagt daher vor dem Verwaltungsgericht Köln gegen die Bundesnetzagentur, um die Daten nicht speichern zu müssen. Da einer öffentlichen IPv4-Adresse durch die sogenannte Network Address Translation (NAT) jedoch sehr viele Nutzer zugeordnet werden könnten, sei eine Speicherung der Daten für die Ermittlungsbehörden nutzlos, sagt die Telekom.

Große Unterschiede bei den Kosten

Zwar ist das Argument nachvollziehbar, doch dürfte dem Verwaltungsgericht Köln wenig Spielraum bei der Auslegung des Gesetzes bleiben. In diesem Fall hat eher die große Koalition geschlampt. Für die Nutzer ist der Ausgang des Gerichtsverfahrens ohnehin irrelevant. So oder so lässt sich von der öffentlichen IP-Adresse im Mobilfunk nicht auf einen konkreten Kunden schließen. Es geht der Telekom lediglich darum, die Investitionskosten in Höhe von zwölf Millionen Euro zu sparen.

Auffallend ist, dass Telefónica deutlich weniger Geld für die Vorratsdatenspeicherung ausgibt, obwohl das Unternehmen mit rund 44 Millionen Mobilfunkkunden gut 50 Prozent mehr Nutzer als Vodafone hat. Eine Sprecherin teilte auf Nachfrage von Golem.de mit: „Was IP-Adressen anbelangt, so speichern wir entsprechend dem Gesetz die dem Teilnehmer für eine Internetnutzung zugewiesene Internetprotokoll-Adresse.“

Genaue Schätzung der Bundesnetzagentur

Das macht auch Vodafone. Das Unternehmen werde vom 1. Juli an auch die IP-Adressen von Mobilfunk- und WLAN-Nutzern speichern, sagte ein Sprecher. Die Speicherverpflichtung umfasse jedoch nicht den jeweils genutzten Port. Eine eindeutige Identifizierung des jeweiligen Teilnehmers sei deshalb in den beiden Fällen nicht möglich. Allerdings scheint das Unternehmen dafür doppelt so viel Geld ausgegeben zu haben wie Telefónica.

Die Ausgaben für die großen Telekommunikationsprovider entsprechen demnach der Größenordnung, die die Bundesnetzagentur vor zwei Jahren geschätzt hatte. Während die Regulierungsbehörde von etwa 15 Millionen Euro ausging, erwartete der Branchenverband Eco sogar Kosten von 30 Millionen Euro für die großen Anbieter. Auch für kleinere Anbieter scheinen die Befürchtungen des Eco nicht eingetreten zu sein. Da die komplette Auslagerung der Vorratsdatenspeicherung an externe Anbieter erlaubt wurde, können die geschätzten Investitionskosten in Höhe von 80.000 Euro entfallen. Je nach Datenvolumen werden aber Ausgaben in vierstelliger Höhe im Jahr für die Dienstleistung fällig.

Funkzellenabfragen könnten sehr häufig erfolgen

Die Deutsche Telekom rechnet hingegen mit jährlichen Ausgaben von einer Million Euro für die Betriebskosten. Hinzu kommen Kosten für die Erteilung von Auskünften, für die die Behörden jedoch Gebühren zahlen müssen. Alle großen Provider gaben an, die Technik ihren Vertragspartnern zur Verfügung zu stellen. Dazu zählen sogenannte Großhandelspartner oder Mobilfunk-Discounter wie Freenet, Drillisch oder United Internet, die über kein eigenes Netz verfügen. Infrastrukturvorleister sind laut Paragraf 113a des Telekommunikationsgesetzes (TKG) zur Datenspeicherung für ihre Großhandelskunden verpflichtet.

Die Systeme der Mobilfunkprovider sind darauf ausgelegt, Funkzellenabfragen zu erlauben. Diese Möglichkeit könnte von den Behörden künftig sehr häufig in Anspruch genommen werden. Denn die große Koalition will mit Hilfe einer Gesetzesänderung die Abfrage von Funkzellen- und Verkehrsdaten bei jedem Wohnungseinbruch erlauben. „Beides sind ganz wichtige Maßnahmen, die unserer Polizei helfen werden, in Zukunft mehr Einbrüche aufzuklären“, hatte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) im Mai im Bundestag gesagt. 

Bundesverfassungsgericht könnte das Gesetz noch kippen

Bislang ist die Abfrage von Vorratsdaten unter anderem bei schwerem Bandendiebstahl erlaubt. Laut Polizeilicher Kriminalstatistik gab es im vergangenen Jahr nur wenige Tausend Fälle dieses Deliktes, während mehr als 150.000 einfache Wohnungseinbrüche registriert wurden. Sollten die Ermittlungsbehörden bei Einbrüchen jedes Mal von der Funkzellenabfrage Gebrauch machen, würden die Daten Millionen unbescholtener Bürger nicht nur erfasst, sondern auch regelmäßig herausgegeben werden.

Inwieweit sich diese Gesetzesänderung auf die Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht auswirken könnte, ist derzeit nicht abzusehen. Sollten die Karlsruher Richter die Vorratsdatenspeicherung für unzulässig erklären, wären die Millioneninvestitionen der gesamten Branche umsonst gewesen. Allerdings könnte es auch passieren, dass Karlsruhe die Vorratsdatenspeicherung erlaubt, jedoch nach den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom vergangenen Dezember weiter begrenzt. Der Aufwand für eine „gezielte Vorratsdatenspeicherung“, wie der EuGH sie für legitim hält, könnte für die Provider sogar größer werden.

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