Instagram: Boulevard of broken dreams?

Gepostet am Mrz 17, 2016

Instagram: Boulevard of broken dreams? Bild: cindyloughridge (flickr)Instagram: Boulevard of broken dreams? Bild: cindyloughridge (flickr)

Du bist bei Instagram und bei deinem Account gehen die Likes für Beiträge zurück? Dass kann viele Gründe haben, oder auch einfach nur an einem falschen Verständnis für die Funktionsweise des Kapitalismus liegen.

Das Instagramgleichnis von der begabten Tänzerin

Nehmen wir einmal an du bist eine begabte Tänzerin und damit du deine Künste einem breiten Publikum vorstellen kannst stellt dir ein netter Typ eine Bühne zur Verfügung. Er möchte von dir dafür nichts, außer dass er deinen Namen auf ein Plakat drucken kann und es in der Stadt aufhängen darf. Ein guter Deal für dich, denn am Abend kommen Menschen in das Haus mit der Bühne und freuen sich wie schön du tanzen kannst.

Wenn Du nur Gast auf einer Bühne bistWenn Du nur Gast auf einer Bühne bist

Immer wenn du getanzt hast, dann hinterlassen die Leute einen Kommentar im Gästebuch des Tanzhaus und du freust dich, wenn die Leute dir eine positive Widmung hinterlassen.

Du tanzt jetzt schon eine ganze Weile auf der Bühne und der nette Kerl dem die Bühne und das Haus gehören wollte bisher noch nicht mal Sex von Dir, obwohl er wirklich gut aussieht und du noch nicht einmal abgeneigt wärst. Trotzdem bist du ganz froh wie es läuft, denn du musst dem Typen nichts bezahlen, er druckt die Plakate und jeden Abend ist die Bude voll. Gleichzeitig kommen Leute auf dich zu und laden dich ein bei deinen Auftritten ein Kostüm von ihnen zu tragen, oder in der Pause ein bestimmtes Getränk zu trinken und es am Rand der Bühne stehen zu lassen. Neulich hat dir sogar jemand Geld für einen Auftritt auf einer anderen Bühne angeboten.

Der Typ dem die Bühne gehört hat das gesehen und hätte sich gefreut, wenn du ihn zu einem Teller Nudeln eingeladen hättest. Hast Du aber nicht, daher ärgert er sich und als eines Abends eine Lady in einem schicken Kostüm vorbeikommt, die auch schon andere Bühnen hat, nimmt er ihr Angebot an und verkauft seine Bühne an sie.

Die Lady lässt dich weiterhin für umsonst auftreten, aber immer öfter dürfen auch andere Leute auf der Bühne auftreten, weil sie der Lady etwas dafür bezahlen, ihr besser gefallen und Abwechslung gut für die Bühnen ist und sich deshalb neue Leute mit den Tanzhäusern beschäftigen. Die Lady verkauft dort ab und an einen Promotionplatz und ein paar Drinks. Du darfst immer noch umsonst auftreten, dein Name steht noch auf dem Plakat, aber du bekommst nicht mehr alleine die Aufmerksamkeit, so wie früher. Immer öfter musst du in deinen alten Klamotten auftreten, weil dir keiner mehr etwas schenkt, was damit zusammenhängt, dass dir weniger Leute zusehen.

Du bist ziemlich sauer, denn du hast viel Arbeit in deinen Auftritt, deine Performance gelegt und nur weil die neue Besitzerin dir nicht mehr so viel Platz auf der Bühne einräumt geht deine Popularität zurück. Dein Tanzbusiness bricht ein, weniger Leute buchen dich, keine neuen kostenlosen Klamotten und keine Einladungen mehr auf andere Bühnen aufzutreten.

Du gehst zu der Lady und beschwerst dich, aber die lächelt nur und erklärt dir, dass ein Abend auf der Bühne Geld kostet und du dort gerne wieder öfter auftreten kannst, wenn du ihr dafür etwas bezahlst. Das findest du ziemlich Ungerecht und gemeinsam mit anderen Bühnenkünstlern beschwerst du dich in der Öffentlichkeit. Dort hören dich aber nicht mehr so viele Leute, weil sie lieber den Leuten zuhören die auf dem Plakat groß angekündigt werden.

Eines Tages triffst du den alten Besitzer und erklärst ihm was für ein Ar*** er ist, weil er seine Bühne verkauft hat und er die Plakate nicht mehr für umsonst druckt. Er lacht dich an und sagt ?Wenn du mir etwas von deinem Erfolg abgegeben hättest, dann wären wir beide groß geworden. Jetzt sind wir beide klein, aber ich wenigstens reich, weil ich meine Bühne an jemanden verkauft habe der schlauer ist als wir.?

Instagram

Wer sich jetzt an Instagramblogger erinnert fühlt die sich darüber wundern, dass sie bei einer bestimmten Anzahl von Followern immer weniger Fame abbekommen, der liegt ganz gut.

Irgendwann im letzten Quartal 2015 erhob sich ein leises Wehklagen über neue, gefühlte, Bedingungen im Hause Instagram. Ein neuer Hausmeister hatte sich neue Regeln ausgedacht und plötzlich gab es weniger Likes von den Fans und dazu konnten sich andere, bisher Non-Instagrammer, einen Platz im Aufzug kaufen den es bisher noch gar nicht gab. Diese Leute fuhren auf einmal an einem vorbei und hatten ganz viele Follower und Likes. Schnell konnten auch Instagrammer unter Generalverdacht fallen bei denen die Followerzahl einfach aus natürlichen Gründen anstieg, aber damit auch die Interaktionsrate sank.

Und ganz so wie in der kleinen Geschichte bedeutete dies weniger Aufmerksamkeit. Zu den Likes, die gefühlt immer weniger wurden, schlich sich Angst unter die Postings. Dazu kamen Zweifel an einem, denn die bisher geleistete Arbeit wurde und wird immer weniger wertgeschätzt, und der Traum vom gut bezahlten Instagramleben begann ins Wanken zu geraten.

Business not Ponyhof

Noch im April berichtete das Handelsblatt von den Möglichkeiten mit Instagram als Blogger Geld zu verdienen. Interessanterweise blendete dabei der Redakteur komplett die immer noch geltenden Gepflogenheiten des alltäglichen Geschäftslebens aus: Nichts gibt es geschenkt.

Instagram ist kein Ponyhof. Instagram ist kein Ponyhof.

Im Netz explodierten die Accounts der neuen Kings & Queens des Internet. Follower, Likes und Comments wurden zu einer Währung die sich an keine Regeln zu halten hatte. Ähnlich wie die Einträge im Gästebuch unserer Tänzerin verwandelte sich Lob in klingende Münze.

Ein paar Monate später wälzt sich zwar die Content-Marketing-/Storytelling-/Nativewelle durch das Netz und alle wollen authentische Beiträge von authentischen Netzpersönlichkeiten, wobei das wollten sie schon immer, und brachte immer mehr Marken auf die Idee Instagram als bezahlten Kanal für ihre Kommunikation zu nutzen. Damit begann der Businesspart und auf dem Ponyhof wurde es immer ungemütlicher, denn nun konnte sich jeder der genügend Geld investierte in der Timeline präsentieren und die neuen Regeln zu seinen Gunsten nutzen. Damit endete auch eine Ära bei Instagram und gefühlt geht die Party ihrem Ende entgegen.

Wobei die Party gar nicht zu Ende ist, sondern es wird nur eine andere Musik gespielt. Daran muss mann sich eben gewöhnen.

Bei Instagram gibt es eine ziemlich verlässliche Regel wonach die Likes im Verhältnis zur Followerzahl abnehmen. Die Faustregel die erfahrene Instagram-Werber annehmen lautet bis 50.000 Follower ist ein Engagement von 3-4% gut und ein normaler Wert. Steigt die Anzahl der Follower über eine Million ist eine IER (Instagram Engagement Rate) von 1% immer noch ordentlich, wobei bei Celeb-Accounts die IER höher ist als bei Accounts normaler Blogger und/oder Markenaccounts.

Die Bloggerin Tara Waldorf, die auch einen Instagram-Account betreibt, stellte letzte Woche ihrer Facebookcommunity die Frage, ob sie auch eine Verschlechterung der Likes feststellen könnten. Ihre Aussage dazu ?Ich hab tatsächlich nur noch so 150-250 Likes, wtf? Egal, was ich mache. Dafür aber relativ viele Kommentare (weil meine Leser auch eigentlich sehr aktiv sind), aber einfach absolut keine Likes mehr.?

?Ich hab seit 3 Posts bei Instagram richtige peinliche Likezahlen. Ich hab sonst durchschnittlich 200-300 Likes und jetzt 74??

lautet die verschreckte Antwort eines anderen Instagram-Bloggers.

Die Vermutung was dazu führt ist, dass was ich oben angesprochen habe: Neue Regeln im Haus.

In der Diskussion heißt es dazu dann:

?Naja, Facebook hat Instagram gekauft und hält jetzt ebenfalls, wie die Pages, die Beiträge zurück, sodass du zahlen musst, um mehr Leute zu erreichen??

Richtig feststellbar sind diese Aussagen aber nicht, denn bei einem Blick auf den Account von Fashionlunch lassen sich nur marginale Abweichungen feststellen. Bestimmte Themen gehen immer besser und erzeugen mehr Likes und Kommentare. Bei Tara gehören Foodporn und Aufnahmen auf denen sie ganz direkt zu sehen ist zu den Spitzenreitern mit CTRs von 2,1% bis hin zu 3,5%. Sind andere Menschen, Das Brandenburger Tor oder ein Video im Spiel sinken die Interaktionsraten unter 2%.

Instagram: Boulevard of broken dreams?

Vielleicht platzen die Träume mancher Fashionbloggerin/Instagrammerin gerade deshalb, weil man/frau vergessen hat, dass es nichts umsonst gibt. Selbstverständlich ist es schön, wenn ein Business auf einer externen Plattform aufgebaut werden kann, aber dann liegt das Hausrecht eben auch beim Betreiber und nicht bei einem selbst.

Tara Waldorf die sich über den Rückgang ihrer Likes beklagt hat, hat eigentlich keinen wirklichen Grund zur Klage. Ihr gut geführtes Instagram-Leben bietet den Followern von #foodporn bis hin zu sauerländischen Schneelandschaft ein buntes Potpourri, welches zum liken einlädt.

Die Erkenntnis, dass es nicht ausreicht sich auf die Bühne zu verlassen die einem ein Dritter überlässt ist aber auch bei ihr schon angekommen und deshalb sagt sie selbst:

?Ja klar, man braucht immer eine eigene Seite. Man darf sich nicht auf diese ganzen Plattformen verlassen.?

Diese Erkenntis führt bei ihr auch dazu, dass sie auf ihrer eigenen Webseite wieder mehr Inhalte präsentieren will. Ein guter Schritt, denn nur wo wir als Blogger unsere eigenen Regeln bestimmen können sind wir wirklich @home, auf allen anderen Bühnen sind wir nur Gäste die sich an die Regeln des Hausherren halten müssen. Darauf ein Geschäft aufzubauen wird immer zu Enttäuschungen führen.

Die Instagram Party ist nicht zu Ende, aber jeder der dort aktiv ist muss entweder selbst investieren, oder einfach mit weniger Likes leben können.

Bild: Tänzerin Shutterstock, Ponyhof -Familienhotel Ponyhof (flickr)

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