Ein „Einzelfall“ schlägt hohe Wellen

Gepostet am Okt 16, 2014

Mainleus/München Maik B. ist nicht da. All die Fernsehteams, die sich am Mittwoch vor dem Haus in Mainleus einfinden, in dem der wegen seiner Verstrickung in die Neonazi-Szene entlassene Richter wohnt, sind umsonst gekommen. In der Nachbarschaft munkelt man, Maik B. sei direkt nach seiner Anhörung am Dienstag am Bamberger Oberlandesgericht nach Skandinavien gefahren. Erst mal ausspannen im Urlaub, zumal sich der Neonazi im Norden auskennt. Seine ersten rechtsextremen Musikproduktionen hat er in Schweden herstellen lassen.

Nachbarn, Kollegen am Gericht und Kommunalpolitiker eint derzeit eines: Alle sind äußert wortkarg. Kaum einer will über den Richter mit der rechtsradikalen Vergangenheit sprechen. Die Journalisten, die sich vor dem Haus aufhalten, werden aufmerksam beobachtet. Ein netter, unauffälliger Mann sei der Maik B., heißt es im Ort. Nur selten habe man ihn zu Hause gesehen, und dass „das so einer ist“, habe man niemals für möglich gehalten.

Im Rathaus von Mainleus weist man Fragen zurück. Zwei Mitarbeiter verweisen darauf, dieser Fall sei „in allerhöchster Form politisch“. Da wolle man sich nicht den Mund verbrennen, zumal es offenbar eine Anweisung gegeben hat, nicht mit der Presse zu reden. Wer nachfragt, wer die Anweisung erteilt habe, wird mit einem „das kommt von ganz oben“ abgespeist.

Der Mainleuser Rechtsanwalt Ulrich Gödde hatte zweimal vor Gericht mit Maik B. zu tun. In beiden Verfahren habe der Richter einen „sehr ordentlichen“ Eindruck gemacht, sagt Gödde und fügt an, der junge Jurist sei für sein Alter auffallend konservativ gewesen. Vom Ablauf der Verfahren her könne man freilich nichts Negatives über den geschassten Richter sagen.

Der Bayreuther Landtagsabgeordnete Christoph Rabenstein recherchiert den Fall Maik B. seit einer Woche. „Das ist eine Ungeheuerlichkeit, dass so einer mit dieser Vergangenheit ein Jahr lang Richter in Lichtenfels sein kann“, sagt Rabenstein. Er schiebt dem bayerischen Verfassungsschutz die Hauptschuld zu, doch auch das Innenministerium habe versagt: „Mit nur einem Anruf in Brandenburg hätte man herausfinden können, wer Maik B. ist.“

In München wurde gestern klar, dass sowohl das Justiz- wie auch das Innenministerium dem Landtag zum Fall des inzwischen aus dem Dienst ausgeschiedenen Richters ausführlich Rede und Antwort werden stehen müssen. Das Landtagsplenum nahm dazu entsprechende Dringlichkeitsanträge mehrerer Fraktionen an. Im Mittelpunkt wird dabei vor allem die Rolle des bayerischen Verfassungsschutzes stehen, der Informationen über den mutmaßlich rechtsextremen Richter nicht an das Justizministerium weitergegeben hatte.

„Was ist als Folge aus dem NSU-Skandal aus der neuen Sensibilität des Verfassungsschutzes gegenüber Rechtsextremismus geworden“, fragte der SPD-Abgeordnete Franz Schindler. Ebenso wie die Grünen lehnte er aber eine Wiedereinführung der „Regelanfrage“ bei Bewerbern für den öffentlichen Dienst ab. „Es hat nicht die Gesetzeslage versagt, sondern der Verfassungsschutz“, sagte der Grüne Sepp Dürr.

Innenminister Joachim Herrmann zufolge wusste die Polizei in Oberfranken seit Februar 2014 von dem Umzug B.s im Oktober 2013 in den Kreis Lichtenfels. Er sei daraufhin in die Staatsschutz-Datei aufgenommen worden. Seine berufliche Tätigkeit sei den Sicherheitskräften seinerzeit nicht bekannt gewesen. Im März habe eine Arbeitsgruppe von Polizei und Verfassungsschutz Überprüfungsmaßnahmen angeordnet, unter anderem sei ohne Ergebnis bei der Sozialversicherung und der Bundesagentur für Arbeit nachgefragt worden. „Man hat sich also um Aufklärung bemüht, aber auf die Idee, dass Maik B. Beamter sein könnte, ist keiner gekommen“, sagte Herrmann. Dies sei in der Rückschau „unbefriedigend“. Man werde deshalb analysieren, wie in solchen Fällen künftig besser gehandelt werden könnte. Ein Strukturproblem bei Polizei oder Verfassungsschutz vermochte Herrmann nicht zu erkennen. Die Wiedereinführung der sogenannten Regelanfrage für Beamte in Justiz oder Polizei werde auf alle Fälle geprüft.

Ministerpräsident Horst Seehofer hat die Entlassung des Proberichters Maik B. als „vernünftig“ begrüßt. „Das ist sehr schnell nach Bekanntwerden aufgearbeitet und entschieden worden“, lobte Seehofer. Es gebe „null Toleranz gegenüber Extremisten im öffentlichen Dienst“.

Seehofer betonte, er könne “ jetzt nicht erkennen, dass hier auf Ministeriumsebene irgendwas falsch gelaufen ist“.

Maik B. war in der ostdeutschen Neonazi-Szene als Kopf von „Hassgesang“ bekannt, einem rechtsradikalen Musikprojekt. Der brandenburgische Verfassungsschutz beobachtete „Hassgesang“ von 2003 bis 2013. Das Amt informierte die bayerischen Kollegen zwar über den Umzug des Mannes nach Bayern, gab aber keinen Hinweis, dass es sich um einen Juristen handelte.

Seehofer warnte nun einerseits davor, die gesamte Verwaltung unter Generalverdacht zu stellen. „Das haben unsere Leute nicht verdient.“ Es handele sich aktuell um einen „Einzelfall“. Andererseits sei die vom Kabinett beschlossene Überprüfung sinnvoll, ob es vor Einstellungen in besonders sicherheitsrelevanten oder hoheitlichen Bereichen künftig wieder eine genaue Durchleuchtung der Bewerber geben soll. Seehofer betonte aber: „Es wird keinen allgemeinen Radikalenerlass geben. Das will niemand bei uns im Kabinett, und ich auch nicht.“

Justizminister Winfried Bausback und Innenminister Joachim Herrmann sollten dies nun „in aller Ruhe“ prüfen. „Die sollen so lange prüfen, bis sie dem Kabinett mit Substanz ein Ergebnis vorlegen können.“

Es wird keinen allgemeinen Radikalenerlass geben. Das will niemand bei uns im Kabinett, und ich auch nicht.

Ministerpräsident Horst Seehofer

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