Das Vorzeigeprojekt für Linux in der Verwaltung trifft vermehrt auf Kritik: Der neue Münchner Oberbürgermeister moniert, dass freie Software „gelegentlich den Microsoft-Anwendungen hinterherhinke“, sein Vize hadert mit dem „ganzen Thema LiMux“.
LiMux, das Vorzeigeprojekt für Open Source (im Allgemeneinen) und Linux (im Besonderen) in der Verwaltung, gerät unter Beschuss: Die neue Rathausspitze in München hat offensichtlich kein Herz für Pinguine. Zunächst ließ sich der seit Mai amtierende Oberbürgermeister Dieter Reiter jüngst in einem Interview mit dem Behördenmagazin Stadtbild unwidersprochen als „Microsoft-Fan“ darstellen. Er sei über den vor elf Jahren beschlossenen Wechsel zu Linux „überrascht“ gewesen, erklärte der SPD-Politiker in dem Gespräch. Es sei ja bekannt, dass Open-Source-Software „gelegentlich den Microsoft-Anwendungen hinterherhinke“. Er könne selbst ein Lied davon singen.
Jetzt hat Reiters früherer Wahlkampfgegner Josef Schmid, der inzwischen in der rot-schwarzen Koalition zweiter Bürgermeister Münchens geworden ist, nachgelegt und scharf gegen Linux und zugehörige Bürosoftware geschossen. Seit Installation des LiMux-Clients fehlten den Anwender-Programmen auf den Bürorechnern der Stadtverwaltung „zahlreiche Funktionen, die sonst gängig sind“, monierte der CSU-Politiker gegenüber der Abendzeitung. Vieles sei auch „nicht kompatibel mit den Systemen außerhalb der Verwaltung“.
Koalition gegen LiMux
„Während im Wirtschaftsleben ein einziges Programm reicht, um Mails, Kontakte und Termine zu vernetzen, ist das alles jetzt viel schwieriger“, meinte Schmid. Es spreche Bände, wenn für den OB und ihn erst ein externer Mailserver eingerichtet werden müsse, „damit der E-Mail-Verkehr auf den Smartphones der beiden Spitzenleute der Stadt überhaupt funktioniert. Das ist nicht mehr zeitgemäß“. Referenten, Ingenieure und Architekten, die für die Stadt arbeiten, müssten „mit dem Rest der Welt auf technisch gleichem Niveau kommunizieren können“.
Durch die derzeitige IT-Entwicklung würden „Vorurteile, die man als Normalbürger gegenüber der Verwaltung hat, bestätigt“, ärgert sich Schmid: „Da ist das ganze Thema LiMux“, dass er angehen werde, sobald sein Büro voll funktioniere. Es sei „nicht hinnehmbar“, dass die politische Führung der Stadt vier Wochen und länger warten müsse, bis ein Smartphone eingerichtet sei. Die dritte Bürgermeisterin, die SPD-Politikerin Christine Strobl, hatte sich in der vergangenen Legislaturperiode wiederholt für LiMux als Vorzeigeprojekt eingesetzt. Sie ist für den IT-Bereich aber nicht mehr zuständig.
IT-Chef versteht die Aufregung nicht
Karl-Heinz Schneider, Chef des 2012 neu eingerichteten städtischen IT-Dienstleisters IT@M, kann die Aufregung nicht recht verstehen. Die Schwierigkeit sei offenbar, dass eine „Unternehmens-IT“ mit dem rein privaten Bereich verglichen werde, erläuterte er gegenüber heise online. Es sei in der Verwaltung aber etwa nicht machbar, den Nutzern ein Smartphone „vom Laden weg in die Hand zu geben“. Das Gerät müsse erst in die bestehenden Infrastrukturen eingebracht und etwa an Mail-Server angeschlossen werden. Zudem seien bestimmte Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Dies habe aber keinen Bezug zu LiMux und „dauert unter einer Woche“.
Es gebe auch keinen Stadtratsbeschluss für eine flächendeckende Einführung von Mobilgeräten in München, unterstreicht Schneider. Die IT-Abteilung habe aber trotzdem vor zwei Jahren erste Tablets ausgeliefert und eine mobile Client-Strategie erarbeitet. Es würden fast ausschließlich Android-Geräte ausgeliefert, dazu auch „ein paar iPhones“.
15.000 Linux-Clients, 3000 Windows-Rechner
Generell gibt es Schneider zufolge für Linux in München mit dem Vollenden des LiMux-Projekts Ende vergangenen Jahres „keinen Sonderstatus“ mehr. „Das ist unsere Betriebsplattform“ mit über 15.000 Clients, stellt Schneider klar. Dazu kämen noch rund 3000 Windows-Rechner und 1000 PCs mit virtualisierten Terminals. Beide Varianten würden „professionell bedient“ und befänden sich im „ganz normalen Lifecycle-Management“. So erhielten die Linux-Geräte Ende September ein neues „LibreOffice“-Paket und eine neue KDE-Oberfläche, während parallel die Microsoft-Enklave auf Windows 7 aktualisiert werde.
Für beide Infrastrukturen habe IT@M einen Regelprozess eingeführt, der sich mit Problemen von Anwendern beschäftige, führt Schneider aus. Wie in jedem Konzern würden Eingaben über ein Ticketsystem und ein Helpdesk schnellstmöglich bearbeitet. Dass es mit der Neueinführung einer Plattform vorübergehend mehr Unterstützungswünsche gebe als mit der alten, sei „nicht überraschend“. Ihm sei aber nichts bekannt über eine spezielle Beschwerdeliste beim OB. Die Rathausspitze habe dem Dienstleister auch keinerlei Projektauftrag oder Anweisung erteilt, „etwas zu ändern“. Auch im Stadtrat stehe LiMux in den nächsten Sitzungen nicht auf der Tagesordnung.
Kritik an der Kritik
Der frühere LiMux-Projektleiter Peter Hofmann bezeichnete die Einwände der Bürgermeister gegenüber heise online als „sehr plakativ“ und zu pauschal. Er könne „nichts Greifbares“ herauslesen, was besonders schlecht laufe und wo die IT-Abteilung sofort Feuer löschen müsse. Dass die Microsoft- und die Linux-Welt nicht immer kompatibel seien, sei altbekannt. Dass es in einem größeren Betrieb zum ein oder anderen Stau beim Abarbeiten von Organisationstickets kommen könne, auch kein Geheimnis. Dies habe aber nichts mit Linux zu tun. Ein Unternehmen mit lauter zufriedenen IT-Anwendern finde sich nirgends auf der Welt. (Stefan Krempl) / (anw)
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