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Versteht mich nicht falsch: Selbstverständlich ist es vollkommen richtig, Office für das iPad auf den Markt zu bringen. Doch das Geschäftsmodell, das Microsoft hier gewählt hat, ist kritisch ? und könnte dazu führen, dass der Quasi-Standard Microsoft Office in Zukunft keiner mehr ist.
Microsoft hat es über Jahre hinweg geschafft, seine DOC-, XLS- und PPT-Dateien zu etablieren. Auch, wenn sie jetzt noch ein zusätzliches „x“ in der Dateiendung tragen. Daran kommt man nicht vorbei, egal ob als Privatnutzer oder im geschäftlichen Bereich. Zwar können auch alternative Office-Umgebungen wie Open Office oder iWork mit diesen Daten umgehen, aber häufig nicht gut genug: Eine PowerPoint-Präsentation, die auf einem Rechner anders aussieht als auf einem anderen, ist in der Geschäftswelt nicht zu gebrauchen. Und so hat Microsoft eine ordentliche Verbreitung seiner Software auch auf anderen Plattformen hinbekommen.
Nun gehören iOS und das iPad zu den Plattformen, die in einem schrumpfenden PC-Markt boomen. Ganze Präsentationen werden nur auf einem Tablet abgehalten, oder das Tablet dient über eine kabellose Verbindung als verlängerter Arm zum Computer mit angeschlossenem Beamer. In der Vergangenheit blieben für diesen Zweck nur alternative Programme oder Viewer, die teilweise für stolze Preise über die virtuelle Ladentheke des App Stores gingen.
Endlich, endlich hat Microsoft sein Office nun auch nativ für das iPad startklar gemacht. Die Apps sind sogar kostenlos, eignen sich dann aber nur zum Betrachten von Dokumenten. Wer seine Dateien bearbeiten möchte, benötigt das Office-365-Abo ? für 10 Euro pro Monat oder 100 Euro im Jahr. Im Preis enthalten sind bis zu fünf Installationen auf Windows- oder Apple-Computern. Eigentlich kein schlechter Deal ? und für Microsoft die Möglichkeit, mit einen regelmäßigen Geldstrom rechnen zu können.
Aber warum ist Office zu dem Standard geworden, der er heute ist? Nicht durch den Business-Einsatz. Die hohe Verbreitung bei Privatleuten hat dazu geführt. Wer einmal im Jahr einen Brief an Tante Käthe schreibt, eine Kündigung an seinen Mobilfunkbetreiber schickt oder die Kosten für das Auto zusammenstellt, greift dafür zum (eigentlich vollkommen überdimensionierten) Office.
100 Euro im Jahr sind für den Gelegenheitsnutzer einfach zu viel Geld. Beim Kauf eines Softwarepakets kann man eine Summe in dieser Größenordnung noch über Jahre kleinrechnen. Selbst ein über zehn Jahre altes Office 2000 oder XP ist noch absolut ausreichend für diesen Zweck. Aber das neue Abo-Modell hätte im gleichen Zeitraum die zehnfache Kohle verschlungen. 1400 Euro für ein paar Briefe? Vergesst es!
Der Umstieg vom PC im Keller zum iPad im Wohnzimmer läuft bereits. Private iPad-Nutzer werden aber kaum ein so teures Abo abschließen ? und stattdessen zu Alternativen greifen. Wie eben iWork, das hervorragend auf dem Tablet und unter Mac OS X funktioniert und über ein Web-Interface sogar unter Windows nutzbar ist. Die Textverarbeitung „Pages“ kostet einmalig 8,99 Euro. Ein Preis, bei dem man nicht zweimal nachdenkt.
Was wird also passieren? Die Quasi-Standards DOC, XLS und PPT wackeln. Je seltener auch Privatleute mit diesen Formaten etwas anfangen können (und wollen), um so weniger nötig werden sie auch im geschäftlichen Einsatz. Und wenn Vertriebler Ihre Präsentationen in Zukunft mit Open Office oder Apple Keynote statt Microsoft PowerPoint zusammenbasteln, wars das ganz mit dem Office-Geschäft.
Liebe Kollegen von Microsoft: Denkt doch mal über ein bezahlbares Modell für Privatnutzer nach ? so wie das Angebot für Schüler und Studenten für nicht einmal 2 Euro im Monat. Dann klappt’s auch mit der Weltherrschaft.
Permalink: http://techstage.de/-2157390
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