Unter Hochdruck arbeiten die verschiedenen Gremien der Internetadressverwalter und Standardisierer an der Ablösung der US-Aufsicht über die Internet Assigned Numbers Authority (IANA).
Die Reform des Kernbestandteils der Netzverwaltung bis zum September 2015 sei ambitioniert, aber voll im Zeitplan, versicherte zum Abschluss der Tagung die Vorsitzende der IANA Stewardship Transition Coordination Group (ICG), Alissa Cooper. Doch auch wenn die US-Verwaltung im kommenden Jahr erfolgreich ihrer politischen Sonderrolle in der Netzverwaltung entkleidet wird, wirtschaftlich bleiben die USA als Sitz der größten Domainregistries das Schwergewicht.
Noch bis Mitte Januar haben die ICANN, die IP-Adressregistries (RIRs) ? unter ihnen RIPE ? und die Internet Engineering Task Force (IETF) Zeit, ihre Vorschläge zu schreiben, wer künftig für die IANA verantwortlich sein wird. Für jeden der drei Gruppen verwaltet die IANA (derzeit betrieben von der ICANN laut Vertrag mit der US-Regierung) spezielle für die Infrastruktur des Netzes wichtige Datenbanken: die Protokolnummern Registry für die IETF, den zentralen IPv4- und IPv6-Adresspools für die RIRs und die zentrale Rootzone des Domain Name Systems (DNS) für ICANN und Länderadressverwalter wie die DENIC.
Aufsicht jenseits klassischer Regierungskontrolle
Jahrelang boten die regelmäßig anstehenden Vertragsverhandlungen über den IANA-Betrieb ein Druckmittel, mit dem die US-Verwaltung die ICANN zu Reformen drängen konnte. Gab stets die Kontrolle von Änderungen in der zentralen DNS-Rootzone durch Beamte im US-Handelsministerium Anlass zu diplomatischen Streit, drängten in Los Angeles viele der 2500 Teilnehmer darauf, ICANN in anderer Form rechenschaftspflichtig zu machen. Sonst könnte dem Betreiber einer Länderadresszone, dessen Zone redelegiert wird, am Ende nur der Gang vor ein kalifornischen Gericht bleiben. Oder: ICANNs Vorstand könnte durch eigenmächtige Satzungsänderungen satzungsmäßige Werte über Bord werfen, so die Befürchtungen.
Bürogebäude mit ICANN-Gründungssitz in Los Angeles County
Bild: Coolcaesar /en.wikipedia
Die aktuelle Debatte biete möglicherweise die letzte Gelegenheit, der privaten Organisation ein Aufsichtskorsett jenseits klassischer Regierungskontrolle zu verpassen, warnten Unternehmensvertreter in Los Angeles. Ein Vorschlag lautet, eine Art Verfassungsrat zu schaffen, der Verstöße gegen die Grundwerte der Satzung ahndet. Umstritten bleibt, ob es ein externer Verfassungsrat sein soll oder ob eine von den verschiedenen Selbstverwaltungsgremien der ICANN selbst besetzte Arbeitsgruppe ausreicht. Manchen Regierungen reicht die interne Lösung nicht aus. Vertreter der deutschen Regierung hatten bei einer eco-Veranstaltung kürzlich mindestens eine Aufwertung der Regierungsrolle gefordert.
In ihrer Abschlusserklärung vermerkten die Regierungen schon einmal klar: Das öffentliche Interesse stehe über den Interessen der verschiedenen Selbstverwaltungsgruppen, also Registries, Registraren, Unternehmens- und individuellen Nutzern.
Dominanz im Markt bleibt
Als Trugschluss bezeichnete CEO-Chef Elliot Noss im abschließenden Plenum die Vorstellung, dass die Übergabe der IANA-Kontrolle ICANN endlich vollständig unabhängig von den USA mache. Unklar ist vorerst etwa noch, wie es mit VeriSigns Vertrag über den technischen Betrieb des Zuspielservers für das DNS weiter geht. Noss mahnte aber auch, solange der .com-Vertrag nicht zu echten Marktbedingungen ausgeschrieben und die laut Noss zu hohen Preise und Gebühren dem Wettbewerb unterworfen würden, bleibe die USA der dominanteste Player. Doch so weit, gleich noch die Ausschreibung von Rootbetrieb und .com-Zone zu fordern, mag derzeit aber niemand gehen. Vielleicht auch in der Sorge, dass man die harte Deadline im September, wenn der laufende IANA-Vertrag endet, nicht einhalten kann. Das gäbe einer neu gewählten US-Administration die Gelegenheit, sich das Ganze doch noch einmal anders zu überlegen. (Monika Ermert) / (js)
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