Test Beyond: Two Souls | Action-Adventure | PS3
Großes Kino, kleines Gameplay
09.10.2013, 18:02 Uhr | (jr / ams), Richard Löwenstein
Beyond: Two Souls (Quelle: Quantic Dream)
„Beyond: Two Souls“ wird einen zum Weinen bringen, soviel steht fest. Aber aus welchen Grund die Tränen fließen, das kann sich von Mensch zu Mensch unterscheiden. Wer nah am Wasser gebaut ist, dem werden angesichts dieser PS3-Produktion die Augen feucht, derart herzzerreißend sind einige der Szenen geraten. So mancher Hardcore-Gamer dagegen dürfte eher Tränen des Bedauerns verdrücken, weil er gerade 60 Euro an ein paar cineastisch inszenierte Reaktionstests verschwendet hat. Eines jedenfalls muss man der Schöpfung der französische Entwicklerschmiede Quantic Dream lassen: Große Gefühle auslösen, das kann sie. So oder so.
Beyond: Two Souls – Mehr Cineplay als Gameplay
Dass „Beyond: Two Souls“ kein gewöhnliches Abenteuerspiel sein kann, das ist bei diesem Hersteller fast schon zu erwarten. Genau wie bei „Heavy Rain“ aus demselben Hause lässt sich das Gameplay auch im aktuellen Fall ganz gut mit dem Kunstwort Cineplay umschreiben: Also zuschauen, eine Taste antippen, zuschauen, den Stick hin- und herrühren, zuschauen, und so weiter.
Vereinfacht gesagt, lässt sich „Beyond: Two Souls“ auf zwei Elemente reduzieren: Es gibt choreographierte Szenen mit polygonisierten Schauspielern, in die man nicht eingreifen kann. Als Klebstoff dazwischen dienen Dialoge, Kämpfe oder Fluchtszenen. Diese kurzen Momente entscheiden darüber, ob und welche choreographierte Szene im Anschluss folgt. Im Vergleich mit „Heavy Rain“ verzichtet „Beyond“ weitgehend auf allzu simple Quicktime-Reaktionstests und wirkt dadurch insgesamt etwas mehr wie ein Videospiel – wenn auch nur minimal.
Jodie und der Geist
Dass diese simple Spielmechanik dennoch so eine erstaunliche Sogwirkung ausübt, hängt mit der Rahmenhandlung zusammen. Ungewöhnlich für ein Videospiel, fesselt „Beyond: Two Souls“ die Neugier durch Schilderung einer Geschichte voller Spannung und Dramatik, großer Gefühle und bewegender Momente. Im Mittelpunkt steht das Erwachsenwerden eines Mädchens namens Jodie. Als Außenseiterin, als Mensch mit übernatürlichen Kräften, muss sie sich im Spielverlauf den eigenen Dämonen stellen und eine ungeheure Gefahr besiegen – an dieser Stelle mehr zu verraten, wäre allerdings zu viel des Guten.
Doch sie geht den Schicksalsweg nicht völlig alleine, sondern vertraut sich einem anderen Wesen an. Aiden ist eine ätherische Kreatur, ein Geist. Er ist mit Jodie verbunden, er hilft ihr und beschützt sie, aber verursacht gleichzeitig immer wieder Schwierigkeiten. Per Tastenkommando wechselt man an vordefinierten Stellen zu Aiden, schwebt mit ihm frei durch die Umgebung, bringt mit beiden Sticks dessen telekinetische Kräfte zum Einsatz und manipuliert so Schalter und andere Objekte.
Stars in der Playstation
Andere Action-Adventure-Games hätten daraus sicherlich prima Puzzles inszeniert, aber „Beyond“ verzichtet auf knackige Rätsel und stellt stattdessen ganz klar Handlung und Figuren in den Vordergrund. Das macht in gewisser Weise Sinn, denn immerhin stimmt die darstellerische Leistung der beiden Stars: Anlässlich der Spiel-Entwicklung holte Quantic Dream zwei Hollywood-Mimen vor die Kamera: Ellen Page als Jodie und Willem Dafoe als ihren Mentor Nathan. Im Studio von Quantic Dream haben die beiden Stars die Ezählszenen gemäß dem Drehbuch gespielt, wobei Mimik und Gestik mit einem Verfahren namens „Motion Capturing“ erfasst und auf Polgyon-Figuren übertragen wurden. Somit lassen sich Page alias Jodie und Dafoe alias Nathan nunmehr als künstliche Figuren durch ein Videospiel lenken. Ziemlich faszinierend, umso mehr, als das Ergebnis wunderschöne Bilder aus der Playstation 3 herauskitzelt.
Große Gefühle
Besonders in den stillen Momenten glänzt „Beyond“. In jenen Augenblicken, in denen man mehr über Jodie erfährt und per Rückblende ihrer Kindheit teilhaftig wird – zum Beispiel während einer turbulenten Schneeballschlacht mit den Nachbar-Kids oder während einer dramatischen Geburtstagsparty, bei der erste Liebe keimt. Wenn Tränen über Jodies Wangen hinabkullern oder sich Lachfalten um Nathans Gesicht bilden, während er das Mädchen tröstet: Wen das nicht berührt, der müsste schon ein Herz aus Stein haben.
Dass es den Kulissen einer Forschungsanstalt und CIA-Akademie, einer Reihenhaus-Siedlung und dem wüsten Hinterland an Detailzeichnung fehlt, fällt demgegenüber kaum ins Gewicht. Da stört es eher, dass die Bildwiederholrate gelegentlich einbricht, einzelne Texturen sichtbar aufploppen und die Augen der Akteure in manchen Situationen leblos wirken. Das reißt einen dann doch wieder aus dem cineastischen Kunstwerk heraus, das „Beyond“ gerne sein möchte.
Überflüssiger Koop-Modus
Um den Vergleich mit dem Kino zu vervollständigen: Bekanntlich genießt man einen wirklich guten Film für sich allein und unterhält sich erst nach dem Abspann mit Freunden über das Erlebte. Genau dasselbe gilt auch hier. „Beyond“ ist ein klarer Fall für Einzelspieler. Einen überflüssigen Eindruck hinterlässt daher der Zwei-Spieler-Modus. Ein Spieler übernimmt die Rolle von Jodie Holmes, der andere die von Aiden. Für den Anleiter von Aiden ist die Erfahrung allerdings eine ungleich schlechtere. Die Figur kommt viel seltener zum Einsatz, außerdem gestaltet sich das Aktionsspektrum des Geistwesens weit weniger umfangreich als das seiner menschlichen Begleiterin. Da macht es mehr Sinn, dass der Mitspieler den Controller zur Seite legt und die Einzelspieler-Kampagne als filmische Unterhaltung wahrnimmt.
Der Launch-Trailer zum neuen Quantic Dream-Titel Beyond: Two Souls.
Was uns gefällt
Im Vergleich mit früheren Werken aus dem Hause Quantic Dream ist das Gameplay etwas stärker ausgeprägt und schlüssiger mit der Handlung verfugt. Die optische Darstellung der Figuren erinnert an Filmaufnahmen. Die deutschen Synchronstimmen können sich hören lassen.
Was uns nicht gefällt
Weder die Puzzles noch die Action stellen eine wirkliche Herausforderung dar. Etappenweise wirken die Charaktere etwas unecht und tappen gelegentlich auch mal in Logiklöcher innerhalb der Handlung.
Fazit
Dass das Spielestudio Quantic Dream gerne Geschichten erzählt und Gameplay eher als Mittel zum Zweck betrachtet, damit die Handlung vorankommt und die Helden an Profil gewinnen, das dürfte sich seit „Heavy Rain“ herumgesprochen haben. Andererseits bringt der Mystery-Thriller gefühlvolle und menschliche Facetten so wirkungsvoll zur Geltung wie nur wenige andere Videospiele. So kommt es, dass „Beyond: Two Souls“ seinen Betrachter nach zwölf bis fünfzehn dramatischen Stunden mit einem Glücksgefühl in den Abspann entlässt – außer dieser erwartet sich beim Kauf ein konventionelles Videospiel-Erlebnis. Dann überwiegt wohl doch eher die Enttäuschung.
Infos zum Spiel
Titel: Beyond Two Souls
Genre: Action-Adventure
Publisher: Sony
Hersteller: Quantic Dream
Release: Im Handel
Preis: zirka 60 Euro
System: PS3
USK-Freigabe: Ab 16 Jahren
Einschätzung: Sehr gut
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09.10.2013, 18:02 Uhr | (jr / ams), Richard Löwenstein
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