Hartz IV: Aus der Sicht eines Betroffenen

Gepostet am Okt 22, 2014

Oberfranken – Über Hartz IV gibt es zahlreiche Texte – wenig jedoch aus der Sicht der Betroffenen. Nun hat ein Mann aus Oberfranken ein Buch veröffentlicht, das den Untertitel „Erfahrungsbericht eines Hartz IV-Empfängers“ trägt. Es heißt „Die Ware Leben“ und der Autor, der unerkannt bleiben möchte, hat sich für sein Werk das Pseudonym Max Frey zugelegt.

„Hartz IV hat mich krank gemacht“, sagt der Autor im Gespräch mit unserer Zeitung. „Ich habe mich so hilflos und nicht respektiert gefühlt.“ Sein Verhängnis begann, als er eigentlich vorankommen wollte. Der heute 35-Jährige hatte eine Ausbildung als Industriekaufmann gemacht und die Berufsoberschule (BOS) besucht. Danach studierte er Betriebswissenschaften und machte einen Abschluss als Diplom-Betriebswirt (FH). Doch mit seinen Bewerbungen kam er in eine Zeit, in der die Firmen kaum einstellten – er erhielt durchwegs Absagen.

„Um versichert zu sein, habe ich mich dann arbeitslos gemeldet“, berichtet er. „Arbeitslosengeld erhält man aber nur, wenn man bis zwei Jahre vorher sozialversicherungspflichtig beschäftigt war.“ Der Autor, der jahrelang gearbeitet und sein Studium mit viel Engagement betrieben hatte, fand sich von einem Tag auf den anderen als Hartz IV-Bezieher wieder, „und damit hat ein Teufelskreis begonnen“. Auf den Ämtern habe er sich als Nummer behandelt gefühlt.

Von der Agentur für Arbeit angeordnet, kam der Betriebswirt in eine Qualifizierungsmaßnahme. „Dort habe ich als erstes gelernt, wie man einen Computer einschaltet“, berichtet er. Der Kurs sei bunt gemischt gewesen – „von ,ohne Ausbildung‘ bis hochqualifiziert war alles dabei“. In einem Praktikum habe ihn der Chef nur ausgenutzt. In einem Job als Hilfsarbeiter sei es ähnlich gewesen.

Der junge Mann geriet angesichts der als entwürdigend empfundenen Situation in eine psychische Krise und landete schließlich in der Psychiatrie. „Ich habe mich von der Gesellschaft ausgeschlossen gefühlt“, sagt er. Als er die Psychiatrie verlassen konnte, beschloss er, seine Erfahrungen aufzuschreiben, um seine Würde zurückzugewinnen. Dieses Manuskript war Grundlage für das Buch.

„Ich habe gedacht, vielleicht interessieren meine Erfahrungen jemanden“, sagt er über seine Motivation. Und das sei in der Tat so: „Es ist gut, dass sich jemand traut, das aufzuschreiben, was wir erleben“, hätten ihm Leidensgenossen gesagt. „Viele haben ähnliche Ängste, sind verzweifelt und mutlos.“ Er habe nur wenige Hartz IV-Empfänger getroffen, die nicht arbeiten wollten. Als Betriebswirtschaftler sieht er einen weiteren Aspekt: „Was ist das für eine Verschwendung von Ressourcen, wenn man es nicht schafft, dass sich ein wesentlicher Teil der Bevölkerung selbst ernähren kann?“ Er habe inzwischen vielfach gehört, dass er kein Einzelfall sei: ein gut ausgebildeter, leistungsbereiter Mensch, der keine Arbeit findet, sondern öffentliche Wohltaten nehmen muss.

Der Autor hat eine E-Mail-Adresse eingerichtet, unter der man mit ihm in Kontakt treten kann:

[email protected]

Viele haben ähnliche Ängste, sind verzweifelt und mutlos.

 

Als Taschenbuch

Das Buch „Die Ware Leben – Erfahrungsbericht eines Hartz IV-Empfängers“ von Max Frey ist als Taschenbuch mit 90 Seiten im Frankfurter Literaturverlag erschienen (ISBN 978-3-8372-1408-6) und kostet 10,80 Euro.

 

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