Cisco-Chef Chambers erwartet Abkommen zur Spionage-Regulierung

Gepostet am Jun 12, 2015

Chambers schertzte während der Cisco-Heimveranstaltung mit Journalisten.

Regierungen werden sich noch darauf verständigen, IT-Ausrüstung nicht für Spionagezwecke zu manipulieren. Das erwartet zumindest der scheidende Cisco-Chef John Chambers, der sich nun für Frieden im Nahen Osten einsetzen will.

John Chambers, scheidender Chef des Netzwerkausrüsters Cisco Systems, glaubt nach wie vor, dass sich die Regierungen der Welt besinnen und auf eine Eindämmung ihrer Spionagewut einigen werden. Das sagte er am Dienstag (Ortszeit) in San Diego auf der vom 7. bis zum 11. Juni laufende Hausmesse Cisco Live. Vor gut einem Jahr hatte er sich bei US-Präsident Barack Obama brieflich darüber beschwert, dass die NSA offenbar Neugeräte seines Unternehmens auf dem Postweg abfängt und verwanzt: „Wir können so schlicht und einfach nicht arbeiten.“ Denn die Manipulationen untergraben das Vertrauen der Kunden.

Chambers wünschte sich damals ein internationales Übereinkommen, wonach die Regierungen dieser Welt nicht in die Lieferkette hineinpfuschen. Ausgerechnet US-Präsident Obama sollte die Initiative dafür setzen: „Und ich glaube, dass er das tun wird“, sagte der Manager, der sich offen als Republikaner zu erkennen gibt, aber bisweilen auch für Obama lobende Worte findet und Bill Clinton sogar als eines seiner Vorbilder bezeichnet.

„Niemand zweifelt an unserer Integrität“

Am Dienstag (Ortszeit) stand Chambers der heise-Netze-Redaktion Rede und Antwort zum Stand der Dinge. Wie sich zeigt, dürfte sein Ärger über die NSA verraucht sein. Er habe bei seinen Reisen „in fast jedes Land der Welt“ festgestellt, dass Ciscos Ruf und das Vertrauen der Kunden „wahrscheinlich ganz an der Spitze“ stehen, meinte Chambers zunächst: „Ich glaube nicht, dass irgendjemand an der Integrität unserer Firma zweifelt.“ Sogar die Sicherheitssysteme in Moskau liefen auf Cisco-Hardware.

„Zweitens glaube ich noch immer, dass sich die Führer unserer Regierungen auf Verkehrsregeln einigen müssen, weil, wie Sie gesehen haben, fast jede Regierung der Welt spioniert“, fuhr Chambers fort. „Es
ist wichtig, zu verstehen, dass es Verkehrsregeln braucht, damit Unternehmen erfolgreich sind. Darauf werden sich die Regierungschefs eines Tages verständigen müssen.“

„Als Unternehmen haben wir das überstanden, wie schon immer. Wir sind nicht perfekt, aber wir sind sehr transparent. Und wir haben Regierungen, wie auch Unternehmen immer dazu ermutigt, Veränderungen
vorzunehmen, wenn es für die Wirtschaftskraft der Welt wichtig war.“

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Cisco-Chef John Chambers und sein designierter Nachfolger, Chuck Robbins, im heise-Netze-Interview

Regierungen als „gute Zuhörer“

Die nächste Generation des Internet werde noch fünf bis zehn Mal wertvoller werden, als es das Internet derzeit ist. Damit „wird es für die Länder in aller Welt noch wichtiger, Richtlinien und Regeln festzulegen. Unsere Meinung hat sich nicht geändert.“

Auf die Frage, ob Obama auf den Brief geantwortet hat, gab Chambers keine klare Antwort: „Sie werden nie eine Unterhaltung mit Regierungsführern haben, wenn sie nachher hinausgehen und sagen ‚das ist, was passiert ist.‘ Ich habe festgestellt, dass [Regierungen der] Länder rund um die Erde gut zuhören, inklusive unserer eigenen hier in den USA. Und das gilt für alle Ebenen.“

Appelbaum enthüllte Attacken

Im Mai 2014 hatte Glenn Greenwald in seinem Buch „Die globale Überwachung“ NSA-Dokumente enthüllt, die offenbar zeigen, wie NSA-Mitarbeiter Cisco-Pakete öffnen, um auf den enthaltenen Geräten Malware zu installieren. Jacob Appelbaum hat bereits 2013 öffentlich gemacht, dass solche Manipulationen Teil der geheimdienstlichen Arbeit sind.

Chambers steht kurz vor dem Ende seiner 20jährigen Amtsperiode als Cisco-Chef. Ende Juli übergibt er an seinen Mitarbeiter Chuck Robbins. Doch diese Woche genießt Chambers noch einmal die Rolle als Gastgeber auf seiner Hausmesse in San Diego.

Nach seinem Rückzug aus Ciscos Managements in den Verwaltungsrat des Konzerns möchte Chambers dem Nahen Osten Frieden bringen, wie er auf Frage von heise Netze sagte. Um dieses außerordentlich schwierige Ziel zu erreichen möchte sich der Amerikaner für den Aufbau einer Mittelschicht in allen Ländern des Nahen Ostens einsetzen.

Cisco hat einen Teil der Reisekosten für die Teilnahme des Autors an der Cisco Live übernommen. (Daniel AJ Sokolov) / (dz)

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